Ardeen: Band 1: Der Kreis der Magie (German Edition)
kann, muss er ja nicht unbedingt schön sein. Das ist lediglich das, was der Verzauberte dann glaubt. Nein, unmöglich. Telfa ist schon ihr ganzes Leben lang auf Naganor und durch Zauberei ist sie bisher noch nie aufgefallen.
Wieder bückte sich Meister Lionas nach einer Blume, als das Auge ihm erneut eine Person zeigte: Ein Kind mit einem Bündel unter dem Arm hüpfte den Gang entlang. Vor der Tür blieb sie abrupt stehen und sah sich verstohlen um. Als sie sich unbeobachtet fühlte, rollte sie das Bündel auf und zu Meister Lionas Erstaunen erkannte er seinen eigenen Mantel wieder. Gestern hab ich den zum Waschen mitgegeben . Eine Flasche mit Elixier ist zerbrochen und hat einen ziemlich großen, hässlichen Fleck auf dem Stoff hinterlassen .
Den Fleck konnte man immer noch gut erkennen, als sich das Mädchen den Mantel nun über die Schultern warf und die Kapuze über den Kopf mit den langen schwarzen Haaren zog. Der Mantel begann sich aufzublähen und nahm die Gestalt von Meister Lionas an, dann trat sie durch die Tür.
Clever, die Kleine. So also kommt sie durch die Barriere. Kopiert mein Abbild und nutzt die Aura meines Mantels. Als Magier kann man nicht vorsichtig genug sein. Da gibt man seine Wäsche ahnungslos weg zum Waschen und schon wird damit Missbrauch getrieben.
Ein zweites Auge hing in Eryns Zimmer und auf das wechselte Meister Lionas nun. Im Grunde genommen hing noch ein weiteres Auge im Zimmer, welches der Prinz dorthin gesetzt hatte. Mit den Zauberaugen ist es wie mit einem Fernrohr. Nur wenn man es zur Hand nimmt, kann man auch etwas sehen. Und weder Prinz Raiden noch Meister Lionas hatten die Zeit und Muße, Eryn pausenlos zu beobachten. Während des Tages warfen sie nur ein paar Kontrollblicke in das Zimmer und so war ihnen die gestrige Besucherin entgangen.
Das Mädchen stolzierte tatsächlich wie eine Prinzessin durch den Raum und Eryn tat Meister Lionas fast leid. Der nämlich verging schmachtend vor hingebungsvoller Liebe.
Es gibt einige Kinder im Dorf und auch in der Zitadelle, überlegte Meister Lionas. Aber da er hauptsächlich in der Garnison Dienst tat, kannte er die Kinder nicht sonderlich gut. Das Gesicht kommt mir bekannt vor. Vielleicht ein Bastardkind des Prinzen. Es ist nicht unwahrscheinlich. In Ardeen gibt es eine Menge davon, aber der Prinz erkennt keines seiner Kinder an. Das weiß jeder.
Für das Mädchen schien das alles ein aufregendes Spiel zu sein. Gerade wollte sie, dass Eryn aus einem der Bücher las. Mit allem Eifer mühte der sich ab. Machte er es falsch, dann schimpfte sie ihn und er war aufs Äußerste betrübt. Machte Eryn es richtig, dann klatschte sie in die Hände und freute sich, wobei sich auf Eryns Gesicht ein selig dümmlicher Ausdruck einstellte. Nach einer Weile ging die Kleine wieder und Eryn vergrub sich in die Bücher.
„Auf zum Prinzen, das sollte Seine Hoheit wissen“, murmelte Meister Lionas vor sich hin und ging zurück zur Zitadelle.
In seinem Studierzimmer saß Prinz Raiden hinter dem Schreibtisch und war in alte Schriften vertieft. Das Nimrod ist der Schlüssel. Ich muss einen Weg hinein finden. Der Große Graue wird nicht so dumm gewesen sein und seine eigene Rasse vernichtet haben. Der alte Drache war überhaupt nicht dumm und wenn einer eine Lösung für den Seelenbann weiß, dann er.
So kreisten seine Gedanken, wie schon so oft, um das eine Thema. Der Prinz bemerkte die Aura Meister Lionas schon, bevor dieser das Zimmer betrat. Der Herr von Naganor hasste es, bei seinen Studien gestört zu werden, aber es ließ sich nicht vermeiden. Andauernd kommen meine Untertanen mit irgendwelchen Anliegen zu mir. Wofür habe ich eigentlich Meister Werge, den Verwalter, und Lord Boron, wenn doch wieder alle zu mir kommen.
„Mein Prinz, ich grüße Euch im Licht der Sonne“, benutzte Meister Lionas eine altertümliche Begrüßungsform.
„Meister Lionas, was ist Euer Anliegen?“ Kommt zur Sache. Ich habe nicht viel übrig für Höflichkeitsfloskeln. Dann hätte ich ja am Hof in Arvon bleiben können, um jeden Tag das Zeremonientamtam über mich ergehen zu lassen. Zum Glück hat sich Danian dafür geopfert. Ihn mit seiner stoischen Ruhe regt nichts auf.
„Es geht um Eryn.“
Der Name ist schon bald so etwas wie ein Fluch. „Was ist diesmal los mit dem Nurin? Macht er wieder Probleme?“
Meister Lionas gestikulierte mit den Händen.
„Nein, nein, eigentlich gar nicht. Er macht sogar gute Fortschritte und wird bald die Kunst des
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