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Arkadien 02 - Arkadien brennt

Titel: Arkadien 02 - Arkadien brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Dächer des Dakota Building zu sehen. Der West Drive konnte nicht weit von hier sein. Wahrscheinlich befanden sie sich irgendwo auf Höhe der 75. oder 76. Straße, vielleicht etwas weiter südlich.
    »Die Morde«, sagte er noch einmal. »Erzähl mir nicht, du hast nichts davon gehört. Willst du mir weismachen, du tauchst einfach so in New York auf? Ausgerechnet jetzt? Weiß Alessandro, dass du hier bist?«
    »Wer ist ermordet worden?«, fragte sie. »Carnevares?«
    Erneut machte er einen drohenden Schritt auf sie zu, und diesmal sah sie, dass er sich kaum noch beherrschen konnte. Er verfügte über beneidenswerte Selbstkontrolle, aber unter der Oberfläche kochte er.
    »Mein Bruder Carmine ist tot. Zwei meiner Cousins, Tony und Lucio, wurden auf offener Straße erschossen, als sie ihre Kinder zur Schule gebracht haben. Und einem dritten steckt eine Kugel im Genick und keiner kann sagen, wie lange er noch zu leben hat. Sein Name ist Gino.« Sein Blick war jetzt tief in ihre Augen versenkt, als wollte er die Wahrheit in ihren Gedanken lesen.
    »Darüber weiß ich nichts«, sagte sie.
    Er atmete tief ein, und erst als er sich wieder zurückzog, begriff sie, dass er ihren Angstschweiß gewittert hatte. Er glaubte ihr kein Wort. Aber offenbar war er nicht in der Stimmung für Verhöre. Sie konnte die Erregung spüren, die sich seiner bemächtigt hatte. Pure Blutgier.
    »Bringt sie zu den anderen«, befahl er. »Und spritzt ihr noch eine Dosis, bevor es losgeht.«

Eine von ihnen
    S ie zerschnitten den Kabelbinder an Rosas Beinen und stießen sie vorwärts zwischen die Bäume. Das Blut strömte zurück in ihre tauben Füße. Dass sie überhaupt laufen konnte, war ein Wunder.
    Bald erreichten sie eine Lichtung, gesäumt von Eichen und Buchen. Zwei Lastwagen mit dem Schriftzug Mobile Lightning, Inc. parkten am Rand der verschneiten Wiese mit eingeschalteten Scheinwerfern.
    Zwischen ihnen, im Schnittpunkt der Lichtkegel, lagen vier Teenager im Schnee, an Händen und Füßen gefesselt und mit Gummikugeln geknebelt. Alle trugen mehrere Lagen zerlumpter, schmutziger Kleidung. Das weiße Licht machte ihre ausgezehrten Gesichter noch kränklicher. Junkies, hätte Rosa angenommen, wäre sie nicht sicher gewesen, dass Michele Wert auf gesunde Beute legte und sich kaum bei der Jagd auf Menschen mit HIV oder Hepatitis infizieren wollte.
    »Das kann nicht euer Ernst sein«, brachte sie hervor. »Nicht mitten in Manhattan.«
    Michele starrte mitleidlos auf die vier Gefangenen vor ihnen am Boden. »Niemand vermisst sie. Keiner stört uns.«
    »Aber der Park wird überwacht! Es gibt Aufseher, Polizeistreifen, Hubschrauber …« Sie sah, wie sich seine Mundwinkel verzogen und die Grübchen tiefer wurden. »Wie viele Leute hast du bestochen, um das hier durchzuziehen?«
    Es war eine rhetorische Frage, auf die sie keine Antwort erwartete. Dennoch sagte er: »Alles ganz offiziell. Für die Parkverwaltung finden hier Dreharbeiten statt. Die Polizei hat eine eigene Abteilung, die nur für die Absperrung von Filmsets zuständig ist. Das Gelände ist weiträumig abgeriegelt. Nicht billig, aber das muss das Budget wohl hergeben.« Er grinste noch breiter. »Für die nächsten paar Stunden wird sich niemand über den einen oder anderen Schrei wundern – das gehört alles zum Drehbuch, das wir eingereicht haben.«
    »Ihr macht das nicht zum ersten Mal.«
    »Hast du eine Vorstellung, wie viele Filme in New York gedreht werden? Jeden Tag arbeiten ein paar Hundert Filmcrews irgendwo in der Stadt. Alles, was wir tun müssen, ist ein, zwei Aufpasser vom Film Office zu schmieren, damit sie heute Nacht schick essen gehen, statt sich hier rumzutreiben.«
    Während er sprach, konnte sie den Blick nicht von den Jugendlichen losreißen. Sie kannte Kids wie diese vier, in der ganzen Stadt gab es Tausende und Abertausende von ihnen. Sie schliefen in Hauseingängen, auf Hinterhöfen, zwischen Pappkartons und Containern. Wenn die Polizei sie schnappte, bekamen sie ein, zwei Tage lang warme Mahlzeiten, und, viel zu selten, einen Schlafplatz in einem Heim. Spätestens nach einer Woche waren sie wieder auf der Straße. Michele hatte Recht. Niemand würde sie vermissen.
    Es waren zwei Jungen und zwei Mädchen, verängstigt und durchgefroren. Sie konnten noch nicht lange dort im Schnee liegen, wahrscheinlich waren sie in einem der Lkw hergebracht worden.
    Außerhalb des Lichtscheins standen weitere Fahrzeuge. Die meisten parkten mit abgeschaltetem Licht und

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