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Arkadien 02 - Arkadien brennt

Titel: Arkadien 02 - Arkadien brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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laufenden Motoren zwischen den Bäumen. Im Inneren konnte sie vage Silhouetten ausmachen, zwei oder drei in jedem Wagen. Hier und da glühten Zigaretten in der Dunkelheit.
    Der Türsteher, der Rosa hatte schlagen wollen, war ihnen zur Lichtung gefolgt. Michele gab ihm einen Wink. Sie sah ihn mit einem Injektor in der Hand auf sich zukommen, und diesmal wehrte sie sich nicht. Er stieß die kurze Nadel in ihren Nacken. Ihre Haut war so kalt, dass sie den Einstich kaum spürte.
    Autotüren wurden geöffnet. Männer und Frauen stiegen aus ihren Fahrzeugen. Die meisten trugen trotz der Eiseskälte nur Morgenmäntel. Der erste Arkadier, der ins Licht trat, hatte sich kaum noch unter Kontrolle. Seine Augen glühten wie die einer Raubkatze, und seine Lippen waren weit vorgewölbt, weil sich dahinter das Gebiss zu Fängen verformte. Andere wippten aufgeregt von einem Fuß auf den anderen, während sie versuchten, die Verwandlung zurückzudrängen und den Startschuss zur Jagd abzuwarten.
    Michele beobachtete die Panthera mit einer Mischung aus Hochmut und Zufriedenheit. Er musste spüren, dass Rosa ihn ansah, denn er wandte sich ihr wieder zu und fragte lauernd: »Gibt es noch etwas, das du mir sagen möchtest?«
    Sie hielt seinem Blick stand. »Kannst du dich noch daran erinnern?«
    »An was?«
    »Den Grund für den Krieg zwischen Carnevares und Alcantaras. Und für das Konkordat.«
    »Das Konkordat!« Er stieß ein leises Lachen aus. »Das Tribunal der Dynastien, die Mythen Arkadiens, der Hungrige Mann – das alles mag euch drüben im alten Europa mit seinen Regeln und Gesetzen gehörige Angst einjagen. Aber für uns hier ist das so real wie das elende Geschwätz von der sizilianischen Heimat und den Zeiten, in denen angeblich alles besser war. Schau dich um! Das ist Amerika! Hier ist alles farbiger, lauter und jetzt sogar in 3-D.« Michele schüttelte den Kopf. »Das Konkordat interessiert mich nicht, und der Arm des Tribunals … Nun, wir werden sehen, wer den größeren Bizeps hat. Falls sie es darauf ankommen lassen.«
    »Du hast meine Frage nicht beantwortet. Kennst du noch den Grund?«
    Sein Kopf zuckte vor, als wäre Michele die Schlange, nicht sie. »Nein, und er spielt auch keine Rolle mehr. Jemand hier inder Stadt tötet systematisch Carnevares, zu einem Zeitpunkt, an dem es keine lokalen Clanfehden gibt, keine offene Feindschaft zwischen den New Yorker Familien. Und dann tauchst ausgerechnet du hier auf, und damit wird plötzlich eine ganze Menge klar. Wie viele Gründe brauche ich deiner Meinung nach, um dich den Löwen vorzuwerfen?«
    Selbst in dieser Situation, im Angesicht all der Panthera im Dunkel unter den Bäumen, begriff sie, dass etwas fehlte. Da war eine Lücke in seiner Argumentation, etwas, das er ihr nicht absichtlich vorenthielt, sondern von dem er ganz selbstverständlich annahm, dass sie es wusste .
    »Hör zu, Michele –«
    Er winkte ab. »Spar’s dir und lauf einfach. Vielleicht schaffst du es bis zu einer der Absperrungen.« Sein Lächeln schien die Zeit zurückzudrehen, zu ihrer Begegnung im Club. »Nicht, dass ich darauf wetten würde.«
    Während er geredet hatte, waren die Kabelbinder an den Händen und Füßen der Straßenkinder durchgeschnitten worden. Zwei hatten es geschafft, sich auf alle viere hochzustemmen, aber die anderen beiden lagen noch immer im aufgewühlten Schnee. Sie waren zu lange gefesselt gewesen und kamen nicht auf die Beine.
    Rosa warf Michele einen vernichtenden Blick zu, dann eilte sie zu ihnen hinüber, griff einem Mädchen unter die Achseln und half ihm hoch.
    »Wie heißt du?«
    »Jessy.« In ihren Augen stand die nackte Panik. Das Leben auf der Straße hatte Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen, aber sie konnte nicht älter sein als fünfzehn. Plötzlich schien ihr klar zu werden, dass Rosa gerade eben noch bei ihren Entführern gestanden hatte. Wut und Trotz blitzten in ihren Augen. »Fass mich nicht an!« Sie riss sich los, stolperte zwei Schritte zurück und fiel dabei fast über einen der Jungen.
    »Ich bin nicht wie sie«, flüsterte Rosa, als wollte sie sich selbst überzeugen. Lauter sagte sie: »Es kann nicht allzu weit sein bis zur Central Park West.« Das war die große Straße, die an der Außenseite des Parks entlangführte.
    »Was tun die mit uns?«, fragte ein Junge.
    »Organhandel«, sagte der andere überzeugt.
    Von deinen Organen wird nichts übrig bleiben, lag Rosa auf der Zunge. Stattdessen sagte sie: »Rennt, so schnell ihr könnt. Immer

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