Arktis-Plan
letzte Schub Speznas rückt an. In etwa fünf Minuten. Gregori geht ihnen entgegen, um mit ihnen zu reden, aber ich glaube nicht, dass daraus etwas wird. Jon spielt den Aufopferungsvollen und bereitet sich darauf vor, die Nummer ›Horaz an der Brücke‹ abzuziehen. Unser Befehl lautet, dieses lächerliche Ding sofort in Gang zu setzen!«
Die Übelkeit, die in Randi aufstieg, hatte nicht nur mit den Symptomen ihrer kürzlich erlittenen Unterkühlung zu tun. Sie schluckte einen Mund voll eiskalter Spucke und zwang ihren Verstand, wieder klar zu werden. »Okay, du übernimmst die Sichtprüfung auf äußere Schäden. Zieh diese Planen weiter weg und sorge dafür, dass nichts herumliegt, was in die Ansaugöffnung der Triebwerke gelangen kann.«
»In Ordnung.« Wenn eine von ihnen Angst hatte oder sich Sorgen machte, dann blieb ihr nicht die Zeit, es zu zeigen.
Randi rannte um den Hubschrauber herum zur Pilotentür und hievte sich ins Cockpit hoch. Das gefrorene Leder des Sitzes schmerzte an ihren Oberschenkeln. Sie lehnte die Checkliste für die Flugvorbereitungen an die Windschutzscheibe; sie wagte nicht, sich auf ihr Gedächtnis zu verlassen. Dann drückte sie die Hauptschalter. Hinter beschlagenem Glas rührten sich Instrumentennadeln und bewegten sich träge.
Es würde drei Krisensituationen zu bewältigen geben. Zuerst einmal mussten die Batterien noch genug Saft haben, um die kalten Triebwerke anzulassen. Der zweite problematische Moment war der Start, wenn sich die gefrorenen, spröden Komponenten der Antriebssteuerung entweder immer schneller drehen oder zerreißen und explodieren würden.
Zur dritten und letzten Krise würde es nach dem Start kommen, wenn sich herausstellte, ob die Steuerelemente des Hubschraubers
entweder funktionieren oder versagen und sie vom Himmel fallen lassen würden.
Und in jeder dieser Krisensituationen würden sie nur eine einzige Chance haben.
Lieutenant Pavel Tomaschenko trabte im stetigen, raumgreifenden Tempo von Zulukriegern oder Soldaten der Spezialeinheiten voran, seine AK-74 an die Brust gedrückt. Wie ein automatisches Ortungsgerät blickten seine Augen voraus und suchten systematisch nach dem nächsten Hinterhalt. Ansonsten gab er sich ganz seiner Wut hin.
Er war bereit, sein Versagen als Offizier und Soldat einzugestehen. Wieder hatte er seinen Männern erlaubt, in eine Falle zu gehen. Der größte Teil seiner Einheit war ausgelöscht, und er war nicht einmal in die Nähe des Kampfgeschehens gekommen. Er war erledigt. Er hatte nichts anderes mehr zu erwarten als Schande und ein Kriegsgericht. Da war es bei weitem besser, wenigstens mit der Kehle des Feindes, der ihn beschämt hatte, zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen zu sterben.
Niedergedrückt von der Last der schweren RPK-Automatikwaffen und der Munition liefen die beiden Sprengstoffexperten und der Funker hinter ihm her, gleichmütig und ohne Fragen zu stellen. Schließlich waren sie Angehörige der Speznas.
Vor sich sah Tomaschenko den Rauch brennender Gebäude vom Gelände der Forschungsstation aufsteigen. Er wusste nicht, was dort vorgehen könnte. Er wusste auch nicht, um wen es sich bei der fremden Gruppe bewaffneter Männer handeln könnte, die seinen Spähtrupp ausgelöscht hatten und dabei selbst so gut wie ganz ausgelöscht worden waren. Ebenso wenig wusste er, woher sie gekommen waren. Aber durch sein Fernglas hatte Tomaschenko den letzten überlebenden Feind in seine Richtung fliehen sehen.
Als sie den Hügel mit dem Funkmast darauf umrundeten, stoppte Tomaschenko den Vormarsch. Mit knappen, stummen
Gesten bedeutete er seinen Männern, auszuschwärmen und sich anzuschleichen. Die Baracken der Forschungsstation brannten lichterloh und dicke, dunkle Rauchfahnen verschmutzten die eisige Bläue des Himmels.
Und von dem unteren Ende der Rauchfahnen kam ein Mann auf sie zu. Er lief in ihre Richtung und hatte die Hände auf Höhe seiner Schultern erhoben.
Tomaschenko hob eine Hand, um seine Männer aufzuhalten. Er legte sein Sturmgewehr an der Hüfte an. Dann blieb der Kommandant der Speznas stehen und wartete mit dem Finger auf dem Sicherungshebel. Rechts und links neben ihm pressten sich seine Soldaten in den Schnee, die aufgestützten Waffen im Anschlag.
Der Mann mit den erhobenen Händen traf etwa hundert Meter vor der brennenden Forschungsstation auf sie. Er hatte die Kapuze seines Parkas abgesetzt, und blondes Haar war zu sehen. Tomaschenko erkannte ihn von den Fotografien, die man ihm
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