Arminius
harten, schwarzen Stein anstelle eines Magens zu besitzen. Danach hustete er nur noch Luft und Galle. Selbst aus Augen und Ohren schien jetzt die Flüssigkeit zu dringen. Ihm schwindelte heftig. Aber auch das ging vorüber.
Endlich kam er wieder zu sich. Und fühlte sich wie von groben Keulen erbarmungslos durchgewalkt. Vor ihm stand Germir, der sich nun auf ihn stürzte und an sich drückte. Nur undeutlich vernahm er die vor Aufregung zitternde Stimme des Bruders: »Was tust du? Du bist doch alles, was ich hab!«
Aus den Augenwinkeln schielte Ergimer zu dem Feind hinüber, der genauso wie er gespien haben musste, denn auch um ihn herum waren die Planken so nass, als ob ein mächtiger Wels auf dem Trockenen um sein Leben gekämpft hätte. Den Römer umarmte seine Mutter.
Ergimer wurde plötzlich ganz taub, als habe man alle Kraft aus ihm gesogen. Wie sehr beneidete er in diesem kalten Augenblick seinen Gegner, wie sehr sehnte er sich danach, in den Armen seiner Mutter Schutz und Trost zu finden, Zuspruch und vor allem Wärme. Die Umarmungen des Bruders taten ihm zwar gut, aber sie konnten nicht die Wirklichkeit wegwischen und eine neue Welt erstehen lassen, wie es der Sanftmut seiner Mutter vermochte.
Die ganze Fahrt über hatte er nur mit seinem Vater gehadert und gestritten, aber jetzt kam ihm zum ersten Mal schmerzlich zu Bewusstsein, wie sehr die Mutter ihm fehlte. Ergimer befreite sich sanft aus den Armen seines Bruders, musste aber von ihm gestützt werden, so schwach war er noch auf den Beinen.
Der finstere Mann, der Ergimer verschleppt hatte, stand ihm völlig durchnässt gegenüber. Nach einem prüfenden Blick auf die beiden Knaben wandte er sich wortlos ab und verschwand unter Deck.
»Er hat euch aus dem Wasser gezogen«, sagte Germir. »Als ihr über Bord gegangen seid, waren wir alle sicher, euch nicht lebend wiederzusehen. Aber der Feldherr sprang euch nach, um kurz darauf, dich mit der linken, den Römer in der rechten Hand am Hals gepackt, wieder aufzutauchen.«
Nachdem er sich abgetrocknet und umgezogen hatte – er trug jetzt nur eine leichte Tunika und Sandalen –, betrat Tiberius die Kajüte seiner Schwägerin. Antonia säuberte gerade mit der Hilfe der chaldäischen Sklavin die Wunden ihres Sohnes und verarztete sie mit Kräutern und Rindenverbänden. Als sie den Feldherrn eintreten hörte, wandte sie sich ihm zu und stieß wütend hervor: »Der Germanenbengel muss bestraft werden! Außerdem will ich, dass er auf einem anderen Schiff die Reise fortsetzt.« Ihre dunklen Augen blitzten vor Zorn.
»Nein!«, schrie Julius. Die Erwachsenen schauten ihn erstaunt an.
»Warum nicht?«, fragte Tiberius.
»Weil es nicht gerecht ist. Ich habe ihn zuerst mit der Peitsche geschlagen.«
»Weshalb?«
»Weil er ein Sklave ist und lernen muss, sich wie ein Sklave zu benehmen.«
»Er ist kein Sklave. Er ist der Sohn eines Fürsten! Wie du, wenngleich eines barbarischen Fürsten.«
Julius sah seinen Onkel nun mit großen Augen an, dann brach es aus ihm heraus. »Was macht das? Er ist ein Barbar, und er ist schuld am Tod meines Vaters. Nicht im Feld haben sie ihn besiegt. Diese Feiglinge haben ihn heimtückisch verhext! Dafür verdienen sie alle den Tod!«
»Geh nicht so verschwenderisch mit deinen Wünschen um!« Tiberius verstand nur zu gut den Schmerz seines Neffen, der viel zu groß für ein Kind war. Aber Julius würde ebenso lernen müssen, mit dem Verlust zu leben, wie es auch ihm selbst einst abverlangt worden war. Dann beugte er sich zu dem Knaben hinunter: »Achte deine Feinde, wenn du sie besiegen willst, und erweise dich deines Vaters würdig, Tiberius Claudius Julius.«
Dann erhob er sich wieder und sah zu Antonia. »Komm, wir haben zu reden«, sagte er und verließ die Kajüte.
Antonia nahm ihre Stola und folgte ihrem Schwager. Die chaldäische Sklavin fuhr mit der Versorgung der Wunden des Knaben fort.
Tiberius und Antonia standen im Heck des Schiffes und schauten auf das Wasser, das nun eine schwarze Farbe angenommen hatte. Der leichte Wind hatte sich gelegt, und samtene Abendluft hüllte sie ein. Aus den Wäldern am Ufer erklang aus der Ferne der Ruf eines Käuzchens.
Der Imperator wagte nicht, in Antonias Augen zu schauen, in denen sich das Licht der Sterne spiegelte. Sie trug eine weiße Seidentunika, unter der sich ihre Reize verführerisch abzeichneten. Und sie duftete so betörend, er mochte es kaum glauben, nach Frühling.
Tiberius hatte seinen Bruder immer um das Glück
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