Arto Ratamo 7: Der Finne
schön gebräunte Riitta Kuurma zupfte etwas von ihren hellroten Shorts, und Ossi Loponen, der gierig sein Mittagsmahl aß, ein gefülltes Baguette, verfolgte den Redeschwall der wütenden Ulla Palosuo genau so interessiert wie die Sicherheitsbelehrungen einer Stewardess. Früher hatte sich Ratamo in solch einer Situation einen Kautabak in den Mund gesteckt, doch jetzt musste er sich mit einem Kaugummi begnügen. Er stellte fest, dass sich Riitta ihre langen nussbraunen Haare hatte kürzen lassen.
»… und hier ist nur eine Handvoll Leute an ihrem Arbeitsplatz, obwohl Finnland den EU-Ratsvorsitz hat. Die ASEM-Gipfelkonferenz findet in einem Monat statt, und danach werden in Finnland alle möglichen Treffen von Ministern und Staatschefs organisiert.«
»Es war doch schon vor längerer Zeit so vereinbart worden, dass möglichst alle ihren Urlaub im August nehmen. In diesem Monat werden nur ein paar EU-Konferenzen abgehalten«, erwiderte Riitta Kuurma der Chefin und begrüßte Ratamo mit einem strahlenden Lächeln.
Ulla Palosuos Frisur reichte, der Schwerkraft trotzend, fast bis zur Deckenlampe und geriet ins Schwanken, als die Chefin Riitta Kuurma anschaute und dabei verärgert den Kopf in den Nacken warf. Dann wandte sie sich Ratamo zu und registrierte mit einem wütenden Blick sein T-Shirt. »Du hast, wie zu vernehmen war, schon seit Tagen gewusst, dass Otto Forsman verschwunden ist und dass die Russen möglicherweise etwas damit zu tun haben. Warum hast du darüber keinen Bericht geschrieben?«
Ratamo glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. War dasder Lohn dafür, dass er eine ganze Urlaubswoche geopfert hatte, um Eerik Sutelas Aufpasser zu spielen. »Ich habe doch Urlaub. Sutela habe ich nur aus … persönlichen Gründen geholfen. Die Helsinkier Abteilung für Gewaltverbrechen kümmert sich um die Morde an Forsman und seiner Pflegerin, und in Finnland hat niemand etwas getan, was die SUPO untersuchen müsste.«
Palosuo war noch nicht besänftigt. »Laut Riitta Kuurma wurde Forsmans Pflegerin mit einem russischen Militärmesser ermordet. In diesen Briefen mit den Hinweisen wird behauptet, irgendwo liege ein Dokument herum, das die Sicherheit Russlands bedrohe. Jemand hat deiner Truppe zwei dieser Briefe gestohlen. Man hat im russischen Lappland versucht, euch zu erschießen. Und jetzt sagt die Kriminalpolizei, ein Priester der russisch-orthodoxen Kirche habe möglicherweise Forsmans Mörder gesehen hat. Findest du nicht, dass all diese Dinge insgesamt ein wenig von der finnischen Sicherheitspolizei untersucht werden sollten?«
Ratamo packte die Wut. Um ein Haar hätte er Ulla Palosuo ein paar Takte gesagt, aber es gelang ihm in letzter Sekunde, sich zu beherrschen. Er holte tief Luft. Die Chefin musste heute einen schlechten Tag haben, in der Regel war sie zwar streng, aber sachlich.
»Ich übernehme natürlich die Verantwortung, wenn du der Auffassung bist, dass in dieser Angelegenheit schlecht gearbeitet worden ist«, versicherte Ratamo ganz ruhig, obwohl er sich als Opfer eines Justizmordes fühlte. Plötzlich wurde ihm klar, was Ulla Palosuo eben gesagt hatte. »Hat sich für den Mord an Forsman ein Zeuge gefunden?«
»Vielleicht. Du kannst ihn …« Palosuo nahm einen Zettel vom Tisch und hielt ihn vor die Augen, »… einen Vater Peter, befragen, sobald die Kriminalpolizei das genehmigt. Aber jetzt erzählst du erst mal ausführlich alles, was in den letzten Tagen passiert ist. Alles.«
Ratamos Zusammenfassung dauerte etwa zwanzig Minuten. Es kam ihm so vor, als säße er im Gerichtssaal auf der Anklagebank, und Ulla Palosuo war sowohl der Staatsanwalt als auch der Richter und die Schöffen.
Die Chefin schien sich auch dann noch nicht beruhigt zu haben, als Ratamo fertig war, und schnauzte ihn an: »Von jetzt an berichtest du immer, wenn etwas Wichtiges passiert. Du leitest die Ermittlungen, geht an die Arbeit.« Sie sammelte ihre Unterlagen ein und ließ ihre Mitarbeiter zu dritt zurück.
»Als Erstes müssen Sutela und Otsamo gefunden werden«, schlug Kuurma vor und schaute Ratamo abwartend an.
»Ich durchstöbere Forsmans Wohnung, dieses Notizbuch wird sich dort schon früher oder später finden«, sagte Loponen und stopfte sich den ganzen Rest des Baguettes in den Mund, dabei berührte er fast seine Mandeln.
»Dafür werden zwei gebraucht, es ist besser, wenn ich und Riitta Kuurma das erledigen«, sagte Ratamo ungewollt streng. Ossi Loponen hatte viele gute Eigenschaften, aber Schnelligkeit
Weitere Kostenlose Bücher