Arto Ratamo 7: Der Finne
geleitet.
16
Rapola, Mittwoch, 9. August
Arto Ratamo erblickte die Silhouette des massiven Burgberges von Rapola, als der Kombi mit Taru Otsamo am Steuer kurz vor zehn Uhr abends die Sääksmäentie südlich von Valkeakoski entlangfuhr. Die tausend Kilometer mit dem Auto hatten ihre Spuren hinterlassen: Sein Rücken schmerzte, und die weiße Mittellinie leuchtete auch dann auf seiner Netzhaut, wenn er die Augen schloss. Es war bewölkt und dunkel, und Ratamo fühlte kalten Schweiß auf der Stirn, obwohl ihm die Klimaanlage kühle Luft ins Gesicht blies. Würde auf dem Burgberg von Rapola etwas Ähnliches passieren wie in Jäniskoski? Vielleicht waren die Russen ihnen mit Hilfe von Satelliten oder Ortungssendern gefolgt.
Doch es gab keine Alternative. Er wollte herausfinden, warum die Russen sie gestern angegriffen hatten, und ob das »Schwert des Marschalls« Wahrheit oder Legende war. Und das würde nur gelingen, wenn er an Sutela und Otsamo dranblieb. Er konnte auch nicht um die Unterstützung der Polizei bei der nächtlichen Jagd nach dem Dokument bitten, obwohl er Ermittler der SUPO war: Wegen des Vorfalls in Jäniskoski war nicht einmal Anzeige erstattet worden. Er bemühte sich, positiv zu denken. Die Russen würden ihnen ja wohl kaum bis hierher gefolgt sein, schließlich flog man in Finnland nicht mit dem Hubschrauber herum und schoss auf Menschen …
Ratamo schloss die Augen, fuhr über seine Bartstoppeln und hoffte, das »Schwert des Marschalls« würde sich in Kürze auf dem Burgberg von Rapola finden und der ganzePfadfinderausflug ginge damit zu Ende. Dann könnte er seinen Urlaub fortsetzen und versuchen herauszubekommen, was für eine Beziehung seine Tochter angefangen hatte.
»Vergänglich ist irdischer Ruhm«, sagte Sutela trocken und betrachtete mit ernster Miene Taru, die neben ihm am Steuer saß. »Der Amtsbezirk Sääksmäki umfasste vom Mittelalter bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts den ganzen westlichen Teil der Provinz Häme, aber heute gehört Sääksmäki zur Stadt Valkeakoski.« Er rieb sich die Schläfe, als er wieder das bekannte erste Symptom einer Migräne spürte, den pulsierenden Druck hinter dem linken Auge. Die Anfälle traten jetzt häufiger auf als zuvor.
Taru Otsamo lächelte Eerik kurz zu, bog dann an der nächsten Kreuzung nach rechts ab und fuhr auf den Parkplatz des prächtigen Gutshofes Voipaala. »Hier ganz in der Nähe beginnt ein Pfad, der auf den Gipfel des Rapolanharju führt. Taschenlampen werden nur im Notfall benutzt, wie wir es ausgemacht haben.«
»Der Rapolanharju ist einer der wichtigsten prähistorischen Burgberge Finnlands, mindestens von 800 bis 1250 hat man ihn genutzt.« Sutela hörte sich so an, als würde er am Institut für Geschichte des University College eine Vorlesung halten.
Das dunkel gekleidete schweigsame Trio stieg aus, holte aus dem Kofferraum die erforderliche Ausrüstung und machte sich auf den Weg. Der Anfang des Pfades fand sich schnell. Dann tauchten sie tiefer in das Dunkel ein, bis schließlich auch das letzte Licht der Straßenlaternen verschwand.
»Wir warten hier eine Weile, es dauert seine Zeit, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben«, sagte Taru Otsamo und drückte ihre Zigarette aus.
»Wie lange?« Sutelas Stimme hörte man die Anspannung an. Er hockte sich neben Taru.
»Der Mensch sieht im Dunkeln mit den Stäbchen, es dauert etwa eine Dreiviertelstunde, bis sie sich vollständig angepasst haben. Aber das Sehvermögen verbessert sich natürlich schon innerhalb von fünf Minuten«, erklärte Taru und betrachtete Eerik lächelnd. Ihre Nasenspitzen berührten einander fast.
»Die Stäbchen befinden sich an den Rändern der Iris in einem Winkel von fünfundvierzig Grad, deswegen sieht man im Dunkeln eigentlich nichts, was sich direkt vor einem befindet. Man muss an dem Objekt vorbeischauen«, erläuterte Taru.
Ratamo hatte genug von dem Gesäusel seiner Reisegefährten. »Man sieht doch hier genug, und diese Stäbchen können sich auch beim Gehen aufwärmen. Angeblich ist es ja nur ein guter Kilometer.«
Ratamo erkannte den Boden des Weges nicht richtig und hob deswegen sicherheitshalber die Beine etwas höher als normalerweise. Bergan beschleunigte sich der Puls, in den Bäumen rauschte der Wind, und die Geräusche des Waldes nährten die Phantasie. Wenn die Russen nun in Jäniskoski doch versucht hatten, sie umzubringen? Hatte man Forsman schon eliminiert so wie die Pflegeschwester? Waren jetzt sie
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