Arto Ratamo 7: Der Finne
dann entfernten sich die Geräusche, wurden leiser und verklangen schließlich ganz.
»Ein Elch. Wenn der einmal die Flucht ergreift, bleibt er erst in weiter Ferne wieder stehen«, sagte Taru, wandte sich zur Straße und bemerkte ein kleines, im Weidengebüsch verstecktes Schild, auf dem zu lesen war: »Teufelskirche«.
»Was ist das für ein Boxenstopp? Wir sollten jetzt direkt zum Haukkavuori fahren und diese Sache zu Ende bringen«, verlangte Ratamo, der dasselbe Schild entdeckt hatte, und ging zum Auto.
»Du bist absichtlich falsch gefahren«, zischte Taru.
Sutela trat vor Taru hin wie ein Sturmsignal. »Genau hierher sollten wir kommen und nicht auf den Haukkavuori. Ich habe beim letzten Hinweis gelogen. Und du dürftest wissen, weshalb«, sagte Sutela und sah, wie Tarus Gesicht vor Angst erstarrte. Jetzt war er absolut sicher, dass sein Vater und dieser Orthodoxe die Wahrheit gesprochen hatten – Taru verriet Informationen. Seine Enttäuschung verwandelte sich in Wut. Er ballte die Fäuste.
Taru fühlte sich wie gelähmt, ihr wurde schwindlig, sie schnappte nach Luft. Ihre Augen wurden feucht, aber sie konnte nicht weinen. Sie fühlte sich leer und kraftlos – sie hatte ihre Tochter verloren.
Sutela interessierte Otsamos Reaktion nicht. »Der allerletzte Hinweis –
Der von Brümmer Geschlagene und die verlorene Kirche
– verweist auf diesen Ort. Der von Brümmer Geschlagene, das heißt Herzog Karl Peter Ullrich, wurde 1742, während der Zeit des ›Kleinen Unfriedens‹, zum finnischen König gewählt. Im darauffolgenden Jahr endete der ›Kleine Unfrieden‹ mit dem Frieden von Turku, in dem Schweden/Finnland dieses Gebiet an Russland abtrat. Und da hinten, ein paar hundert Meter von hier, befinden sich sowohl der Burgberg als auch die im Frieden von Turku verlorene Kirche, nämlich die Teufelskirche. Vater hat sich dieses Täuschungsmanöver ausgedacht. Er hat mir geraten, zu behaupten, dies sei der letzte Hinweis, und ich bin auf die Idee gekommen, diese Lüge noch ein wenig auszubauen.« Sutela war trotz allem zufrieden, dass es ihm gelungen war, Taru und zugleich auch die Russen in die Irre zu führen.
Ratamo hatte genug, ihm war nicht klar, was für ein Spiel Sutela und Taru Otsamo spielten. »Wo zum Teufel ist dieses Dokument?«
Taru Otsamo saß mitten auf dem Parkplatz auf der Erde und wischte sich die Augen. Sie versuchte angestrengt nachzudenken,aber ihr Gehirn war wie betäubt. Was würde Eerik tun, wenn sie jetzt die Kidnapper anriefe: Er würde sich den Brief mit dem Hinweis schnappen und verschwinden, bevor die Kindesräuber eintrafen. Sie konnte nicht aufgeben, Paula musste gerettet werden. Und Eerik musste verstehen …
Taru stand auf und stellte sich vor Eerik hin. Am liebsten hätte sie ihn angebrüllt, dass er gerade Paula umgebracht hatte, aber bevor die Worte über ihre Lippen kamen, fiel ihr etwas ein. Wenn Ratamo von Paulas Entführung hörte, wäre der Polizist gezwungen, die Angelegenheit seinen Kollegen zu übergeben, und die würden dann mit ihren Ermittlungen beginnen. Taru zog Eerik am Ärmel weiter weg, so dass Ratamo sie nicht hören konnte. »Jemand hat vorgestern in Ivalo meine Tochter entführt. Ich war gezwungen, ihnen von den Hinweisen zu berichten, sonst würde Paula … Ratamo darf davon nichts wissen, wenn die Polizei anfängt, die Entführung Paulas zu untersuchen …«, sagte Taru leise, dann versagte ihr die Stimme.
Sutela schluckte seine Worte, er war gerade im Begriff gewesen, ihr seine Meinung zu sagen und dabei kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Er freute sich noch, dass es für Tarus Verrat einen Grund gab, dann wurde ihm klar, was er gerade gehört hatte. Es ging um das Leben eines kleinen Mädchens. Hier lief ein Spiel einer ganz anderen Klasse, als er gedacht hatte. Die Russen waren anscheinend zu allem bereit.
»Ich habe den Entführern die falsche Stelle angegeben. Sie werden glauben, dass ich es mit Absicht gemacht habe, die bringen Paula um«, flüsterte Taru.
»Wollen wir jetzt nicht einfach losgehen und dieses wundersame Buch suchen!«, rief Ratamo ungeduldig, er stand am Rand einer mit Pflanzen bedeckten Sandgrube.
Sutela wirkte schockiert, er hielt Taru den Mund zu:»Paula ist garantiert vom russischen Geheimdienst entführt worden. Dem Mädchen passiert nichts, solange die Russen das ›Schwert des Marschalls‹ nicht in der Hand haben. Wissen die, wo wir jetzt sind?«
Taru zögerte einen Augenblick. »Sie folgen dem Signal meines
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