Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
das haben Sie alles schön mit Ihrem Verteidiger besprochen, wie?«, grollte Morton.
Der Verteidiger zuckte die Schultern.
»Jedenfalls, ich bin am nächsten Morgen wieder hin«, fuhr Alfie fort. »Die Feuerwehr und die Cops waren weg. Das Haus schwelte noch ein bisschen. Ich bin nicht die Long Lane runter, sondern durch die Hecke, an der Stelle, wo ich mich am Tag vorher versteckt hatte, und dann quer über die Felder.
Es war so früh, dass noch Kaninchen rumliefen, aber als sie mich sahen, sind sie alle geflitzt. In den Fallen war nichts, und eine war sogar verschwunden. Ich hab mich auf die Suche gemacht. Manchmal werden sie vom Zaun weggerissen, besonders, wenn was Größeres durchgeht, ein Fuchs zum Beispiel. Ich stieg über den Zaun. Er ist ziemlich eingefallen, es war nicht mehr als ein Schritt, wirklich. Ich bin in den Wald, um nach der Falle zu suchen, und was sehe ich, direkt unter den Bäumen, auf dem Weg, der von der Long Lane durch den Wald auf die Felder führt? Einen Renault Clio. Kein Wrack, sondern ein Wagen in erstklassigem Zustand. Ich dachte, ich trau meinen Augen nicht. Im ersten Moment dachte ich, dass da jemand im Wald rumlaufen würde. Ich blieb ganz still stehen und lauschte, aber es war nichts zu hören. Es ist nicht einfach, im Wald lautlos zu sein, mit all den Blättern und trockenen Zweigen auf dem Boden und den Vögeln, insbesondere den Tauben, die aufflattern, sobald man ihnen zu nah kommt. Aber es war alles still.
Ich warf einen genaueren Blick auf den Wagen. Das Dach war feucht von Tau. Er hatte schätzungsweise schon die ganze Nacht dagestanden. Also seh ich in den Wagen rein, und was glauben Sie, was ich da sehe?« Alfie Darrow lehnte sich zurück und wartete, während er den dramatischen Augenblick genoss.
»Die Schlüssel haben gesteckt?«, fragte Morton.
Alfie, um seine Pointe betrogen, reagierte enttäuscht. »Ja. Woher wussten Sie das? Aber egal. Die Schlüssel steckten. Jemand – schätzungsweise jemand, der damit eine Spritztour gemacht hat – musste den Wagen geklaut und ihn hier auf dem Feldweg zurückgelassen haben, vielleicht um später wiederzukommen und noch mal eine Runde damit zu fahren. Es sah aus wie Bestimmung. Ich meine, ich bin auch nur ein Mensch, oder? Die Türen waren nicht abgeschlossen. Ich stieg ein, setzte mich hinters Steuer und dachte, ich mach ’ne kleine Probefahrt, okay?«
Alfie hielt inne und sah seinen Verteidiger an. »Ich hab den Wagen nicht geklaut. Ich dachte, er wäre aufgegeben worden.«
»Mr Darrow ist nicht ganz sicher, was die rechtliche Würdigung angeht«, sagte der Anwalt müde.
»Genau«, sagte Alfie. »Wie gesagt, ich dachte, der Wagen wäre herrenlos, und es wär okay, wenn ich ihn nehm. Also nahm ich ihn und fuhr eine Weile damit herum.«
»Und dann?«, fragte Morton.
»Dann ist mir der Sprit ausgegangen. Es war nicht mehr viel im Tank gewesen, aber er ging schneller aus, als ich dachte, deswegen musste ich die Karre wieder stehen lassen. Das heißt, beim ersten Mal hatte ich sie ja nicht stehen lassen, sondern jemand anders. Wer auch immer den Wagen im Wald abgestellt hatte. Jedenfalls, ich musste ihn ein zweites Mal stehen lassen.«
»Und wo genau haben Sie ihn stehen lassen, Alfie?«, fragte Morton.
»Auf der Straße nach Cheltenham, in der Nähe des Fox Pub, am Straßenrand«, sagte Alfie. »Ich hatte einen richtig weiten Weg nach Hause.«
»Und die Schlüssel? Was ist mit den Wagenschlüsseln?«
»Die hab ich im Wagen gelassen. Die waren doch zu nichts mehr nütze für mich, oder?« Er lehnte sich zurück. »Das ist alles, was ich Ihnen erzählen kann. Ich weiß sonst nichts mehr.«
»Und wie viel von seiner Geschichte glauben wir?«, fragte Carter.
»Sie mag eigenartig klingen, aber ich glaube den größten Teil«, antwortete Jess. »Zumindest bis zu dem Augenblick, als er den Clio im Wald gefunden hat.«
»Er ist nicht damit herumgefahren, bis der Tank leer war und er zu Fuß weitermusste«, warf Morton ein. »Wir wissen, dass Alfie Darrow nicht besonders hell im Kopf ist, aber so dumm ist er auch nicht. Er hat die Tankanzeige sicher im Auge behalten, und er ist sicher auch nicht auf einer viel befahrenen Straße unterwegs gewesen, weil dort die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass ein gestohlener Wagen auffällt. Wenn überhaupt, war er auf Nebenstraßen unterwegs. Wir können diesen Teil seiner Geschichte also vergessen – der kleine Mistkerl hat den Wagen sicher nicht an der Cheltenham Road abgestellt.
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