Aschebraut (German Edition)
nachgedacht, und ich …«
»Ich frage nicht dich«, fiel Brenna ihm ins Wort. »Sondern mich selbst. Warum habe ich uns in diese Sache reingezogen?«
»Eigentlich war ja wohl ich es, der uns in die Sache reingezogen hat.«
Sie sah ihn fragend an.
»Also bitte. Ich war es, der das Treffen mit Errol hatte. Ich war es, der derart auf den Schatten abgefahren ist, und ich war es, der wiederholte Male mit Einer-Person-deren-Namen-ich-nicht-auszusprechen-wage in der Kiste war.«
»Das stimmt, aber du bist noch jung und fürchterlich naiv. Deshalb ist es meine Aufgabe, dich zu beschützen.«
Wieder seufzte er. »Dann hast du deine Arbeit ziemlich schlecht gemacht«, meinte er. »Oh … da wir gerade von der Arbeit sprechen.«
»Ja?«
»Ich habe ein hübsches und gestochen scharfes Bild von Shane aus dem Klassenfoto herauskopiert.«
»Wirklich?«
Er nickte. »Jetzt sieht er wie ein echter Mensch und nicht mehr nur wie ein verschwommener Fleck mit Haaren aus. Vielleicht können wir damit ja irgendetwas anfangen.« Er zeigte auf den Laptop, der auf seinem Nachttisch stand, und als Brenna ihn ihm eilig reichte, klappte er ihn auf und tippte auf der Tastatur herum. »Hier«, sagte er schließlich und drehte den Laptop so, dass Brenna den Bildschirm sehen konnte.
Vor lauter Aufregung bekam sie einen trockenen Mund.
»Ich habe auch ein paar andere Versionen ausprobiert«, sagte Trent. »Einmal ist er kahl, einmal hat er einen Bart, einmal blondiertes Haar.«
»Zeig mir das Bild mit Bart«, stieß sie mit rauer Stimme aus.
Noch bevor er ihr das Foto zeigen konnte, spürte sie die Eiseskälte auf der Maid of the Mist …
23. Oktober. Sie spürt den harten Eisregen und die Nässe der Bank, auf der sie sitzt, als das Paar an ihr vorübergeht. Das Mädchen, dem die Mascara über die Wangen läuft, sieht ihr direkt ins Gesicht …
Sie will sterben …
»Brenna?«
Sie lenkte den Blick vom Monitor auf Trent. »Er ist es.«
»Wer?«
»Dia… – Die-deren-Namen-ich-nicht-nennen-darf –, das hier ist ihr Freund. Von der Maid of the Mist .«
»Nie im Leben.«
Brenna schluckte und kehrte gedanklich in Frankels Büro zurück …
Lula Belle und RJs alter Kumpel Shane. RJ war überzeugt davon, dass die zwei gemeinsame Geschäfte machten und dass Lula Belle zu allem Überfluss auch noch die Geliebte dieses Typen war.
Das Vibrieren ihres Handys riss sie aus ihren Gedanken. Sie drückte den grünen Knopf und krächzte, obwohl sie ihre Lippen kaum bewegen konnte: »Ja?« Bist du Diandra, Lula Belle?
»Wo hast du die ganze Zeit gesteckt?«, fragte Morasco sie. »Ich versuche schon den ganzen Vormittag, dich zu erreichen.«
»Bei der Arbeit«, antwortete sie. »Da höre ich mein Handy nie …«
»Okay, hör zu. Eventuell hat es nichts weiter zu bedeuten, aber vielleicht habe ich eine Spur.«
»Zu Shane Smith?«
»Was? Nein. Besser. Zu Tannenbaum.«
Ihre Brauen schossen hoch. »Ach ja?«
»Aber er will nicht mit mir reden. Er sagt, er hat die Schnauze von Gesprächen mit uns Cops gestrichen voll. Aber ich nehme an, wenn du ein bisschen nett bist …«
»Ja, gut«, fiel Brenna ihm ins Wort. »Wo soll ich diesen Typen treffen?«
»Im Gefängnis von Westchester County.«
»Echt?«
»Ja.«
»Ich bin sofort da.« Sie drückte auf den roten Knopf und wandte sich an Trent.
»Du musst weg«, stellte er fest.
Sie nahm ihn zum Abschied in den Arm und schrieb dann Maya eine SMS, dass sie sich nach dem Kino nicht beeilen müsste, ehe sie ein Taxi zu ihrer Garage nahm, den Sienna holte und zu dem Gefängnis fuhr, wo sie Morasco traf, der ihr eine Besuchserlaubnis für einen gewissen Orion Nichols holte, der noch immer schwor, er hätte an einem kalten Nachmittag Anfang Oktober Steven Spielberg in Mount Temple auf der Columbus Avenue gesehen.
21
»Wer zum Teufel sind Sie?«, fragte Nichols, das Gesicht gegen die dicke Glasscheibe gepresst, mit geblähten Nasenflügeln und so lauter Stimme, dass ihn Brenna fast verstanden hätte, ohne sich extra den Plastikhörer an das Ohr zu drücken, der für ihre Unterhaltung vorgesehen war.
Sie zitterte. Allerdings nicht nur aus Furcht vor diesem Mann (von dem Morasco ihr bereits erklärt hatte, dass er »etwas neben der Spur« war). Sondern auch oder vor allem, weil es in dem Zimmer eisig war. Sie fragte sich, ob die Gefängnisleitung dadurch Kosten sparen oder vielleicht eher die Leute daran hindern wollte, die genehmigten Besuchszeiten zu überziehen. Außer ihnen beiden
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