Aschenwelt
glaube ich gar nicht wissen. Wir sollten die Geister der Vergangenheit ruhen lassen. Die ihren und die meinen ganz besonders. Oder, was meinst Du?
Gruà und Kuss
Jo
Hätte ich mich doch nie drauf eingelassen!
Jo stand alleine in einer Ecke auf der Party eines von Nadeschdas Studienkollegen. Sie hatte schon heute Morgen ein schlechtes Gefühl, als Nadeschda sie dazu überredete, auf die Party zu gehen. Und nun bewahrheitete es sich. Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen trank Nadeschda heute Abend Unmengen an Alkohol, was sie aus Rücksicht auf Jo sonst nie tat. Doch das alleine war es nicht, was Jo störte. Das konnte sie akzeptieren, Nadeschda musste ja nicht wegen Jos früherer Dummheit ihr Leben lang auf Alkohol verzichten. Sie störte viel mehr, dass Nadeschda sich heute den ganzen Abend über kein einziges Mal um sie kümmerte. Sie schäkerte mit tausend Leuten, Männlein wie Weiblein, tanzte, trank und war laut. Jo verstand nicht, was in Nadeschda gefahren war und wollte es auch gar nicht, wenn sie ehrlich war. Ihr ging Nadeschdas Gehabe gehörig auf den Geist.
Jo nippte miesgelaunt an ihrem alkoholfreien Cocktail, beobachtete Nadeschdas peinliches Herumgehopse, sah, wie sie erst einen Arm um einen Mann schlang und dann den anderen um eine Frau. Eine hübsche dazuhin, hübscher als Jo. Sie schloss ihre Augen und blies ihren Ãrger durch die Nasenlöcher. Als sie ihren Blick wieder auf Nadeschda richtete, sah es für sie so aus, als hätten sich die Frau und Nadeschda gerade geküsst. Jo konnte es nicht mit Sicherheit sagen, weil sie es nicht gesehen hatte. Aber schon der Gedanke daran machte sie rasend.
Sie stellte ihr halbleeres Cocktailglas auf ein Regalbrett und achtete nicht darauf, dass sie es so ungeschickt auf die Kante gestellt hatte, dass es auf den Boden knallte. Mit forschen Schritten stampfte sie auf Nadeschda zu, um sie zur Rede zu stellen. Als Nadeschda sie bemerkte, nahm sie ihre Arme von den Personen, breitete sie aus und kam mit einem überschwänglichen Grinsen auf Jo zu. Sie wollte sie in die Arme schlieÃen, aber Jo wehrte sie ab.
»Was ist los?«, wollte Nadeschda mit verdutzter Miene wissen.
»Das frage ich dich«, blaffte Jo.
»Du, sorry, ich bin ziemlich besoffen. Hick.«
Bitte nicht hicksen, das ertrage ich nicht!
Ich habâs dir ja gesagt â lass die Finger von ihr!
»Wir feiern eine bestandene Prüfung, weiÃt du doch. Da hab ich mich ein bisschen gehen lassen. Tut mir leid.« Nadeschda setzte ihren Hundeblick auf.
»Das ist mir egal.« Jo legte möglichst viel Kälte in ihre Stimme. »Was ist mit der Tuss da. Willst du mit ihr ficken, oder was?« Sie spürte, wie sich der Zorn in ihr immer mehr Bahn brach.
Nadeschda blickte erschrocken drein. »Nein!«, wehrte sie sich. »Wie kommst du darauf?«
»Weil ihr euch geküsst habt!«
»Nein, haben wir nich!« Nadeschda wandte sich etwas schwankend zu der Frau um und wollte sie herbeirufen.
»Nadeschda!«, sagte Jo mit lauter Stimme. »Ich brauch das jetzt nicht! Auf sowas hab ich echt keinen Bock! Ich will jetzt nach Hause.« Sie drehte sich um und ging eilig zur Garderobe, um ihre Jacke zu holen. Soll sie doch knutschen, wen sie will!
»Jooo!«, rief Nadeschda ihr hinterher. »Jetzt warte doch! Ich will nichs von der. Is nur ne Komol ⦠Komil ⦠ach Komidingsbums halt. Ich liebe dich und sonst niemanden!«
»Bist du dir da sicher.«
»Ach Jo, so sicher wie ich weiÃ, dass ich irgendwann sterben muss. Sas weiÃt su doch!«
»Dann komm jetzt mit nach Hause.«
»Ja, gut, mach ich. Bin eh schon zu betrunken.« Sie nahm sich ihre Jacke und sie gingen beide schweigend zu Nadeschda.
»Es, es, tut mir leid«, sagte Nadeschda, als sie in ihrer Wohnung standen. »Wenn ich dich verletzt haben sollte â¦Â« Sie schien etwas nüchterner geworden zu sein.
»Schon ok. Lass uns einfach schlafen gehen.« Jo zog sich aus, legte sich ins Bett und wickelte die Decke um sich. Nadeschda kam tapsig und torkelnd nach und legte ihren Arm von hinten um Jo. Sie stieà ihn weg und sagte, dass sie erstmal ihren Rausch ausschlafen solle. Nadeschda gehorchte und Jo hörte noch, wie sie leise weinte. Sollte sie weinen, vielleicht kam sie dann zu der Erkenntnis, was heute schief gelaufen war. AuÃerdem war sie viel zu müde, und bevor sie sich noch entscheiden konnte,
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