Ash Mistry und der Zorn der Kobra (German Edition)
sie die Iris fast vollständig einnahmen.
In der Ferne hörte Ash das Geheul von Sirenen.
»Halte durch, Gemma. Du musst durchhalten.«
Hitze explodierte direkt in seinem Herzen und flutete jedes einzelne Atom seines Körpers. Die Welt um ihn herum bebte, als Wogen der Energie auf ihn einströmten und ihn mit immer mehr Kraft erfüllten.
Dies war ein Großer Tod.
Kapitel 10
An die tausend Mal durchlebte Ash in den folgenden Tagen die letzten Momente in Gemmas Leben, immer und immer wieder. Es verfolgte ihn in seinen Albträumen und sobald er die Augen aufschlug. Hätte er einen Herzschlag schneller reagiert, einen Zentimeter besser gezielt – alles wäre anders gekommen.
Mit hängendem Kopf lief Ash die dunkle, von Laternen beschienene Straße entlang. Hatte Jackie zugebissen, bevor er das Katar geworfen hatte, oder danach?
Wäre er ein Stück näher gestanden, hätte er das Messer in Jackies Schädel statt ihrer Schulter versenkt. Wäre er doch nur in den Bus gestiegen, statt zum Park zu laufen, dann hätte Jackie seiner Fährte nicht folgen können. Wäre er nur schneller gewesen. Hätte er Gemma nur seinen Mantel nicht gegeben. Wenn er nur schneller, stärker, besser gehandelt hätte. Wenn …
Warum hatte er Gemma seinen Mantel gegeben?
Warum hatte Parvati Nein gesagt, als Jackie den Diamanten verlangte?
Warum?
Der Notarzt kam zu spät und die Polizei fand Ash blutverschmiert mit einem toten Mädchen in den Armen. Jack war völlig hysterisch gewesen und Zeugen sagten aus, dass sie Ash mit Gemma gesehen hatten und dass es einen Streit mit einem anderen Mädchen gegeben hatte. All diese kleinen, nebensächlichen Details. Man hatte einen Faustdolch gefunden, der voller Blut war und perfekt in die Scheide an Ashs Gürtel passte. Also zählten die Polizei und die Schule eins und eins zusammen – und erhielten fünf.
Es war eine dunkle, einsame Nacht auf der Polizeiwache geworden, bevor sich der Nebel am nächsten Morgen lichtete und die Polizei eine tote Hyäne fand. Man stellte fest, dass die Wunden an Gemmas Hals eindeutig von einem Tierbiss stammten – die Polizei ging davon aus, dass die Hyäne aus einem Zoo ausgebrochen sein musste –, und endlich durfte Ash mit seinen Eltern nach Hause gehen.
Ihr Schweigen war kaum auszuhalten gewesen. Luckys Blicke, voll von kaltem Hass und Abscheu, hatten Ash auch ohne ein Wort verraten, was sie dachte: Er war schuld an Gemmas Tod.
Und damit hatte sie recht.
Er starrte auf seine linke Hand und die kleine Narbe auf seinem Daumen. Hätte es irgendetwas gebracht, hätte er ihn auf der Stelle abgeschnitten. Doch der Kali-Aastra war überall in seinem Innern. Ash war der Aastra. An dem, was aus ihm geworden war, war nichts Heldenhaftes. Ganz im Gegenteil. Es war ein Fluch.
Doch was ihn wirklich mit kalter Angst erfüllte, war die Gewissheit, dass es nie ein Ende finden würde. Wer wäre der Nächste? Seine Eltern? Seine Freunde? Lucky?
Gemmas Tod hatte ihn mächtiger gemacht und dafür verabscheute er sich selbst. Vor einer gefühlten Ewigkeit hatte Parvati ihm erklärt, dass Ash umso mehr Energie erhielt, je bedeutungsvoller ein Tod war. Was genau das hieß, hatte er erst wieder begriffen, als Gemmas Todesenergien in ihn strömten: ein wahrhaft Großer Tod. Seine Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Sinne waren allesamt wesentlich verbessert – machten ihn abermals ein Stück weniger menschlich. Das hatte ihm einen so tiefen Schock versetzt, dass er noch immer wie benommen war.
Hatte seine Anwesenheit Gemmas Tod am Ende sogar beschleunigt? Kali war eine gierige, blutdurstige Göttin. Hatte der Aastra den nahen Tod gespürt und ihn angezogen? Ash wurde speiübel, wenn er hörte, wie seine Eltern sich unten unterhielten oder wie Lucky weinte. Er bemerkte die Blicke der anderen in seiner Klasse, ihre Angst. Sein übernatürlich scharfes Gehör nahm alles Getuschel und jede geraunte Bemerkung wahr. Die Gerüchte über jene grauenvolle Nacht infizierten die gesamte Schule. Es war, als folgte ein langer Schatten Ash auf Schritt und Tritt durch die Korridore.
Jetzt starrte Ash auf seinen wirklichen Schatten, der auf Joshs Haustür fiel. Da stand er, vor dem Haus seines besten Kumpels, und hob die Faust. Aus der Küche drangen die Stimmen der anderen zu ihm. Da war Akbars schnaubendes Lachen. Ash roch Seans Duschgel und dass sie Chips mit Essig und Salz futterten, dass heiße Schokolade auf dem Herd stand und ihre Pizzen mit Käse, Oliven, Anchovis und einer
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