Assassini
es mir jedenfalls vor- Hunderten von Stichen genäht worden. Irgendwie schien es so, als wäre die Zeit seit meiner Entlassung aus dem Krankenhaus wie im Zeitraffertempo an mir vorübergezogen. Daß ich mich in Kairo befand, wo ich auf die Anschlußmaschine der Egyptair nach Alexandria warten mußte, war das erste, das mir wieder so recht zu Bewußtsein kam.
Im Hauptgebäude des Flughafens wimmelte es von Menschen, und es war heiß und stickig und laut, und das Gedränge und Geschiebe war alles andere als gut für meine Messerwunde am Rücken. Dann, eine weitere Schmerztablette und noch einen vorüberhuschenden Alptraum später, blickte ich aus dem Fenster der Maschine und sah, wie ich aus einem klaren blauen Himmel zu stürzen schien, hinunter auf den winzigen Flughafen von Alexandria, den man nach der kriegerischen Auseinandersetzung mit Israel im Jahre 1973 hatte wiederaufbauen müssen. Zuvor hatte ich von meinem Fensterplatz aus auf der einen Seite die Wüste gesehen, eine schier unendliche Weite aus brennendem Sand, und auf der anderen das tiefblaue Mittelmeer. Dann war beides aus meinem Blickfeld verschwunden, und am Horizont tauchte ein langer, dunkler Streifen auf, der in der heißen Luft flimmerte: Alexandria.
Ich winkte eines der geschäftigen kleinen rotschwarzen Taxis heran, die sich geschickt durch das dichte Verkehrsgewühl auf der Delta Road schlängelten, jener Straße, über die man in vier Autostunden in südlicher Richtung nach Kairo gelangen konnte und in westlicher Richtung, in ebenfalls vier Fahrtstunden, nach El Alamein und dann weiter nach Marsa Matruh und schließlich nach Libyen und nach Tobruk, diesem Gespenst aus dem Zweiten Weltkrieg.
Das Gefühl der Zeitlosigkeit, das diese Landschaft vermittelte -nicht der Eindruck der Geschichtsträchtigkeit, sondern vielmehr die vollkommene Zeitlosigkeit der sich seit Äonen ständig verändernden Dünen und des anbrandenden Meeres, die mit so gelassener Gleichgültigkeit der Menschheit und ihren Monumenten und Städten und Königreichen und dem flüchtigen Werden und Vergehen ganzer Kulturen gegenüberstanden – dieser Eindruck war überwältigend, sogar in dem pulsierenden, lärmenden, wimmelnden Verkehr dieser Viermillionenstadt.
Der Taxifahrer bog auf die Suez Canal Street ein, fuhr dann die malerischen Klippen entlang, die den östlichen Hafen, den alten Hafen, umrahmten, wo eine kühle Brise vom Meer dafür sorgte, daß die Temperatur in der Stadt gemäßigt blieb, so daß meine Benommenheit allmählich wich. Das Taxi hielt vor dem Cecil Hotel am Sa’d-Zaghlul-Platz. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, neben einer kleinen Rasenfläche, die im grellen Sonnenlicht in seltsam intensivem Grün erstrahlte, bestiegen gerade ausländische Touristen einen Bus mit Fahrtziel Kairo. Die Front des Hotels war dem Osthafen und der Bucht zwischen den sanft auslaufenden Felsen zugewandt, die den Hafen umrahmten, so daß ich dahinter das Mittelmeer in der Sonne glitzern sah. In diesem Augenblick verspürte ich eine nie gekannte innere Heiterkeit, Ruhe, Frieden.
Alexander der Große hatte dreieinhalb Jahrhunderte vor Christi Geburt Ägypten von den Persern erobert. Nach einem triumphalen Empfang in Memphis und der Vergöttlichung als Pharao war er wieder nach Norden gezogen, quer durch das Nildelta zum Mareotis-See, wo er ein kleines, idyllisches Fischerdorf vorfand, an einem hervorragend gelegenen natürlichen Hafen. Wie bereits bei anderen Gelegenheiten befahl er, um diesen Hafen herum eine Stadt zu erbauen, die seinen Namen tragen sollte. Während er selbst wieder ins Binnenland zog, zur Oase Siwa, wo sich das Orakel des Amun befand, ließ er einen Stab von Architekten und Baumeistern zurück. Diese berühmteste alexandrinische Stadtgründung – Alexandria – hat er nie mehr zu Gesicht bekommen.
Alexander starb neun Jahre später. Seinem Letzten Willen gemäß sollte sein Leichnam nach Siwa überführt werden, zu seinem ›Vater‹ Amun, doch Ptolemaios, sein bedeutendster Feldherr, überfiel den Trauerzug und ließ Alexanders Leichnam mit pompösen Feierlichkeiten und unvorstellbarem Prunk in einem eigens errichteten Mausoleum in Alexandria beisetzen. Heutzutage ist das Grab Alexanders längst verschwunden; Überreste davon mögen sich irgendwo unter dem Beton und Asphalt der modernen Metropole befinden, irgendwo unter den Straßen, über die heute all die rotschwarzen Taxis eilen.
In Alexandria entwickelte Euklid neue Grundsätze der
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