Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill
auf die North Circular, bog rechts und noch einmal rechts ab, und am anderen Ende der Straße fand sie einen Platz für ihre Maschine. Sie klappte den Ständer herunter, zog den Schlüssel ab und ging ein paar Schritte zurück. Unterwegs nahm sie den Helm ab, und in der Deckung einer geschwungenen Backsteinmauer suchte sie die Straße nach dem Haus der Mooneys ab. Es war ein großes, einzeln stehendes Haus aus den fünfziger Jahren mit einer von Eisendornen gekrönten Mauer, und die ziegelgepflasterte Einfahrt war von Ranunkeln gesäumt, deren dottergelbe Blütenkugeln schlaff in der Sonne hingen. Kein Staatsdiener sollte in einem solchen Haus wohnen, nicht einmal diejenigen, die mehr verdienten als der Premierminister.
Sie betrachtete ihre Optionen. In der Einfahrt stand kein Auto, die Tore der Doppelgarage waren geschlossen, auch das Tor an der Einfahrt. Ein Fenster im ersten Stock stand offen, aber nur einen Spaltbreit. Sie bewegte sich langsam vorwärts und ließ den Verkehrslärm der Hauptstraße hinter sich, konzentrierte sich auf dieses offene Fenster. Die Steppenwolf-Gitarre sägte noch immer in ihrem Kopf, aber da war auch noch etwas anderes. Kein Zweifel. Ein frenetisches Stampfen drang aus dem Haus. Eine Frauenstimme rappte South-London-R&B in der Hollywood-Version, die Sorte, vor der die Street Kids, die wirklich dort lebten, die Flucht ergriffen und die nur weiße Schnösel aus den Vororten für radikal hielten. Zoë schaute mit einem schmalen, ironischen Lächeln zu dem offenen Fenster hinauf. Jason. Er musste es sein. Verdammt, manchmal war es wirklich zu einfach.
Sie schlenderte zurück zu ihrem Bike, setzte den Helm auf, ließ die Harley vom Ständer springen und zog das Leatherman-Messer, das sie immer bei sich hatte, aus der Jackentasche. Sie bückte sich, langte in den Hohlraum über dem Zylinderkopf und schlug einmal hart auf den Keramikisolator einer Zündkerze. Er brach sofort. Sie setzte sich auf die Shovelhead, startete die Maschine und fuhr in die Straße hinein. Das satte Dröhnen des Motorrads hallte von den Häusern hinter den weitläufigen Vorgärten wider. Sie war ungefähr fünfzig Meter weit gekommen, als aus dem Dröhnen ein Husten und dann ein stotterndes Krächzen wurde. Das Geräusch erstarb, und das Motorrad rollte noch zehn Meter an der Einfahrt der Mooneys vorbei und kam zum Stehen. Sie stieg ab, nahm den Helm vom Kopf und schüttelte ihr Haar. Dann öffnete sie die Satteltasche und nahm Werkzeug heraus. Eine Rohrzange, absolut ungeeignet für diese Arbeit. Sie ließ sich auf den Asphalt sinken, legte sich auf die Seite und versuchte, die Zange um den Isolator zu spannen.
Sie hörte Jason nicht kommen. Dass er da war, wusste sie erst, als seine Füße ungefähr einen Meter vor ihr auftauchten – braungebrannt und in verschlissenen Surfer-Sandalen, deren Riemengeflecht von Sonne und Sand zu Fetzen verschlissen war. Sie betrachtete sie ein paar Sekunden lang, und dann rutschte sie von dem Motorrad weg, rollte sich herum und setzte sich mit den Füßen in der Gosse auf.
»Entschuldigung. Ich hoffe, ich störe hier niemanden. Ich brauche sicher nicht mal zehn Minuten, dann bin ich weg.«
»Sie hat Fehlzündungen. Das hör ich schon am Sound.« Jason sah schmaler aus als auf seinen Facebook-Fotos, und die Bilder, die er ausgesucht hatte, ließen seinen Unterkiefer kantiger aussehen als in Wirklichkeit. Aber er hatte ein offenes Gesicht und weit auseinanderliegende, hellblaue Augen ohne eine Spur von Bosheit oder Verschlagenheit. Er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift: O God, think positive? »Ich hab Sie durch die Straße kommen hören. Ich hab die Augen zugemacht und gedacht, das ist ’ne FXE Superglide Shovelhead, oder? 1980. Bei dem Jahr hab ich mich geirrt, aber Marke und Modell haben gestimmt.« Jason schüttelte den Kopf. Er sah ehrfürchtig aus. »Und dann haben Sie auch noch direkt vor meinem Haus eine Panne – ich meine, ich bin ein totaler Harley-Freak. Besser hätten Sie es gar nicht planen können. Haben Sie sich die Kerzen angesehen?«
»Ich bin gerade dabei. Ich hätte das in zwei Sekunden in Ordnung bringen können, wenn ich einen Kerzenschlüssel hätte. Aber ich muss es damit machen.« Sie hielt die Zange hoch.
»O Mann. Sie müssen sich meine Werkstatt ansehen. Da gibt’s alles. Kommen Sie, kommen Sie.«
Sie zögerte und sah sich auf der Straße um. »Bist du sicher?«
»Na klar. Kommen Sie. Ich schwöre, hier ist reines Karma am Werk.«
Zusammen
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