Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill
Boot und fährt um die ganze Welt, und dazu singt der Chor der Kinder dann: ›It’s a Small World. It’s a world of laughter, a world of tears.‹ So ist Bath auch: eine kleine, kleine Welt. Jeder weiß über jeden Bescheid.«
Sie nahm Marmelade und Butter aus dem Kühlschrank, holte Messer und Servietten aus der Schublade und dachte darüber nach. Er hatte recht. Alle hier kannten einander oder wussten voneinander, und die Leute redeten und tratschten so viel, dass man nie das Gefühl hatte, völlig den Kontakt zu ihnen zu verlieren, auch wenn man sie jahrelang nicht sah. So wusste sie ja auch, was Zoë trieb (Mum und Dad zu fragen wagte sie nicht; schließlich wusste sie, welche Geister sie damit wecken könnte). Über die Buschtrommel hatte sie anfangs auch Kenntnis von Steve bekommen, auf diese unbestimmte, vage Art, wie man etwas über die anderen Eltern in der Schule erfuhr, obwohl seine beiden Kinder viel älter als Millie waren und schon studierten. Wie sich herausstellte, hatten er und seine Ex sich am selben Tag scheiden lassen wie Sally und Julian. Auch Steve hatte gerüchteweise von ihrer Trennung gehört, und eines Tages, Monate später, hatte er sie in einem pinkfarbenen »HomeMaids«-Smart im Stau gesehen. Er hatte die Nummer angerufen, die auf der Wagentür stand, und sich vom Filialleiter mit ihr verbinden lassen. So war es in Bath. Eigentlich war es nur ein großes Dorf. Manchmal konnte es ein bisschen unheimlich sein. Als könne sie keinen Schritt tun, ohne dass alle es erfuhren.
Aber wenn sie Steve jetzt so ansah, glaubte sie nicht so recht, dass die »kleine Welt«-Situation erklärte, dass er über David Bescheid wusste.
»Er ist doch nicht einer von deinen …?« Sie suchte nach dem richtigen Wort. Wie würde er ihn bezeichnen? Kunde? Klient? Sie wusste so wenig über seinen Job. »Er hat dich doch nie beauftragt, oder?«
»Nein.«
»Aber du weißt trotzdem eine Menge über ihn?«
Steve runzelte die Stirn. »Ja … schon«, sagte er unbestimmt. »Aber jetzt ist vielleicht nicht der richtige Augenblick, um darüber zu reden. Weißt du, gleich als Erstes am frühen Morgen.« Er zog die Zeitung heran und fing an zu lesen.
Doch Sally ließ nicht locker. »Ich weiß überhaupt nichts über deinen Job. Manchmal komme ich mir ein bisschen ahnungslos vor.«
Er schaute zu ihr auf. Er hatte sehr klare graue Augen. »Sally, das ist die Schattenseite daran. Wenn du auch nur ein bisschen über meinen Job weißt, weißt du schon zu viel.«
»Und dann müsstest du mich umbringen.«
»Und dann müsste ich dich umbringen.« Er lächelte zerknirscht.
»Ich muss also vorsichtig sein. Das ist alles.« Sie versuchte, das zu verarbeiten. »Aber ich arbeite für ihn. Und er ist ein bisschen … schräg. Vielleicht weißt du etwas, das ich wissen sollte. Etwas Wichtiges.«
Er schob die Lippen vor und klopfte nachdenklich mit dem Fingernagel an den Rand seiner Tasse, als überlege er, wie viel er gefahrlos sagen könnte. Nach einer Weile schob er die Tasse weg. »Okay – zumindest das kann ich dir sagen. Goldrab bezahlt mich nicht, sondern andersherum: Ich werde bezahlt, damit ich ihn durchleuchte.«
»Damit du ihn durchleuchtest? Warum?«
»Weiter geht die Seelenentblößung nicht. Tut mir leid. Wenn du für ihn arbeiten musst, kann ich dich nicht daran hindern. Ich bitte dich nur, nichts Unüberlegtes zu tun.«
»Oh«, sagte sie und kam sich ein bisschen naiv vor, weil sie das alles bisher nicht kapiert hatte. »Wie lange machst du das schon?«
»Eine ganze Weile. Ein paar Monate. Das ist ziemlich normal; viele meiner Objekte sind jahrelang in meinen Büchern. Aber wenn du die Wahrheit wissen willst, in letzter Zeit wächst der Druck auf Goldrab. Seit zwei Wochen werden einige meiner Klienten ein bisschen aggressiver, was ihn betrifft.«
»Meinst du Mooney?«
Steve stellte seine Tasse hin und starrte sie an. »Woher kennst du diesen Namen?«
»Ich glaube, ich habe gehört, wie du mit ihm telefoniert hast.«
»Dann vergiss es wieder. Bitte. Vergiss ihn.«
Sie lachte nervös. »Jetzt machst du mir Angst.«
»Na ja, vielleicht solltest du lieber ein bisschen Angst haben. Oder wenigstens vorsichtig sein. Goldrab ist eine miese Type, Sally. Eine ganz miese Type. Und die Tatsache, dass er frei herumläuft und nicht wegen irgendetwas lebenslänglich sitzt, beruht auf reinem Glück. Ernsthaft, vergiss, dass du diesen Namen jemals gehört hast. Um unser beider willen.«
12
»Da sind Katzen an
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