Auf Couchtour
den Wangen sofort wiedererkennt. Ebendiese prägnanten Züge wurden ihm ja auch hier zum Verhängnis. Angaard war übrigens der Mädchenname seiner Mutter. Er hieß in Wirklichkeit Bolle Slyngel. Im Grunde genommen war er kein schlechter Kerl, die Umstände haben ihn erst dazu gemacht. Wie so oft im Leben.«
»Warum die Verkleidung?«
»Wirst du gleich sehen, Charlinchen. Bolle und der patzige Rücken, alias Mads Bondeknold, hatten in ihrer Heimat zahlreiche lukrative Einbrüche abgewickelt. Die Polizei kam den beiden auf die Schliche und heftete sich an ihre Fersen. Das Pflaster wurde den Räubern zu heiß im Staate Dänemark. Ferner ging es den beiden mächtig gegen den Strich, sich bedeckt halten zu müssen. Sie waren reich und brannten darauf, endlich alles in Saus und Braus zu verprassen.
Also beschlossen sie eines Nachts bei einer Pokerrunde, durch Europa zu reisen, um ihre Spuren zu verwischen. Da sie als Verbrecher-Duo bekannt und gesucht waren, durften sie aber auf keinen Fall gemeinsam losziehen. Sie heckten einen Plan aus: Einer würde in Dänemark bleiben und die Polizei auf eine falsche Fährte locken – der andere sollte sich samt Beute auf den Weg nach Süden machen und den Zurückgebliebenen zwei Monate später in Rom erwarten, wo sie die Beute aufteilen wollten, sobald sich die Wogen geglättet hätten. Stieße dem Lockvogel etwas zu oder würde er gefasst werden, bekäme sein Anteil der Geflohene. Doch wer spielte freiwillig den Lockvogel?«
»Keiner.«
»Eben. Sie ließen die Karten entscheiden und pokerten die Rollen aus. Bolle verlor. Mads packte den Koffer mit dem Geld und machte sich auf und davon. Bolle, der zu diesem Zeitpunkt noch ein ehrlicher Gangster war, hielt sich an die Abmachung und schlug seine Haken quer durchs Land. Sein Kumpan wiegte sich schon bald darauf in Sicherheit und durchzechte die Nächte auf Mallorca. Allein stinkreich zu sein, gefiel ihm außerordentlich gut, und so fasste er den Entschluss, den ganzen Zaster für sich zu behalten. Gewissenlos, wie Mads war, gab er der dänischen Polizei einen Tipp, denn er kannte die Route seines Partners, und reiste selbst weiter nach Frankreich. Bolle entwischte seinen Häschern jedoch in letzter Sekunde und tauchte in den dänischen Untergrund ab: in die Hölle, aus der der verruchteste und niederträchtigste Abschaum der Gesellschaft das Böse in der ganzen Welt verbreitete. Bolle wurde ein anderer, um zu überleben. Erfüllt von Rachedurst, ließ er sich willig von Grund auf verderben. Sein Gesetz war Zorn, seine Botschaft Tod und sein Verlangen Blut. Er nutzte die Verbindungen des organisierten dänischen Verbrechersyndikats, um den Mann aufzuspüren, der ihn um seinen Anteil betrogen hatte. Derweil shoppte Mads, was die Beutekasse hergab. Er lebte so zügellos, dass es ein Leichtes war, ihn zu finden. Mads würde das Geld bei sich tragen, weil er keiner Bank vertraute. Dafür hatte er schon zu viele ausgeraubt und wusste, wie einfach es war, an die Kohle anderer Leute zu kommen. Bolles Racheplan lautete wie folgt: Er wollte Mads nachreisen, den es diesmal nach good old Germany verschlagen hatte, und ihn im Auge behalten, bis der sich anschickte, das Land wieder zu verlassen.«
»Warum hat er ihn nicht einfach überfallen und ihm die Knete geklaut? Warum diese Umstände?«
»Weil Mads Bondeknold der ausgekochteste Ganove auf diesem Planeten war. Bolle hatte dazugelernt. Man musste Mads überlisten, anders war ihm nicht beizukommen.«
»Na, da bin ich gespannt.« Charline zieht die Augenbrauen hoch.
»Pass auf: Bolle beschloss, Mads unerkannt auf den Flugplatz zu folgen, um auszuspionieren, unter welchem Namen er reiste, und, viel wichtiger, wie der Koffer aussah, in dem er seiner Meinung nach das Geld deponiert haben würde. Nachher sollte alles schnell gehen. Er wollte bei der Gepäckabholung nicht auffallen, indem er darauf wartete, welcher Koffer übrig blieb. Bolle glaubte nämlich, und jetzt musst du wie ein Gauner aus dem dänischen Untergrund denken, den geraubten Batzen Bares im Handgepäck oder irgendwo an seinem Körper zu verstauen, sei ein zu großes Risiko für Mads.«
»Moment!«, hakt Charline ein. »Dieser misstrauische Kerl, Mads, gab seinen Geldkoffer freiwillig aus den Händen?«
»Und sogar völlig arglos.«
»Wie jetzt?«
»Es war ja nichts drin.«
»Wie jetzt?«, wiederholt meine verdutzte Freundin.
»Mads hatte alles auf den Kopf gehauen, bis auf den letzten Cent. Das heißt, sein Ticket
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