Auf dem Weg zu Jakob
nicht wie so viele zu Fuß oder per Rad. Hier wird gerade durch das enge Tal eine neue Autobahn zur Entlastung der N-V gebaut, die mit stinkendem Verkehr völlig verstopft ist. Dazwischen rangieren Laster und anderes schweres Straßenbaugerät. Ohne das alles könnte die Landschaft vielleicht sogar schön sein. Je nachdem ob ich gerade im Stau stecke, überhole ich sie oder sie mich, zwei Pilgerinnen, Daphne und Sandra, die zusammen unterwegs sind, was ich aber erst später erfahre, denn sie laufen immer getrennt. Ich hatte sie zuvor schon in El Acebo gesehen und mich mit jeder von ihnen auch schon unterhalten.
Endlich darf ich bei Pedrafita abbiegen. Ob die LU-634 durchs Gebirge Mätzchen machen wird? Zunächst ist sie breit, sehr breit sogar. Und es geht absolut problemlos hinauf bis nach O'Cebreiro auf 1.300 m Höhe. Per Fahrrad hätte ich wieder schieben müssen.
Hier oben in O'Cebreiro will ich mir die strohgedeckten Bauernhäuser, die „ Pallozas “, die ähnlich wie die keltischen „casas teitadas“ oder „castros“ gebaut sind, und durch ihre runde Form und dicken Mauern aus Schieferbruchsteinen dem garstigsten Wetter trotzen können, anschauen. Eines der Häuser ist ein ethnographisches Museum ( Seite 118). Ich bin viel zu früh hier und muss noch eine Weile auf die Öffnung warten. Das macht aber nichts, denn es ist traumhaft schön hier oben. Die Sonne strahlt durch die klare Luft, und in den Tälern unter mir treibt noch ein Schleier von dünnem Morgennebel.
Die Kirche Santa María la Real ist allerdings schon geöffnet. War sie bis 1962 völlig verkommen, haben wir es Pater Don Elias Valiña Sampedro zu verdanken, dass wir das ehemals im 8. Jahrhundert begonnene und im 14. Jahrhundert erweiterte Gebäude heute wieder samt einer Nachbildung des Reliquienkelches, des Heiligen Grals Galiciens, und der Altardecke, die beide eine Rolle beim sogenannten Cebreiro-Wunder spielten, bestaunen können. Auch hier hat sich ein Wunder ereignet, erzählt die Legende : In grauer Vorzeit hatte sich ein armer Bauer bei lebensgefährlich schlechtem Wetter durch die raue Landschaft vom Tal hinauf nach Cebreiro geschleppt, um die heilige Messe nicht zu verpassen.
Als er eintraf, hatte die Messe schon begonnnen, und der Mönch, der die Messe abhielt, machte sich über den dummen Bauern lustig. Und just in diesem Moment geschah das Wunder: die Hostie verwandelte sich in Fleisch und der Messwein in Blut. Dies erschrak den Mönch so sehr, dass er vor Schreck die Altardecke mit dem Blut/Wein bekleckerte. Hatte ich zunächst vermutet, dass er sich dabei vielleicht verletzt hatte, wodurch das Blut auf der Decke zu erklären gewesen wäre, gehen wissenschaftliche Erklärungen für die Flecken heute in Richtung Pilzbildung.
Was auch immer die Ursache gewesen sein mag, das Wunder wurde schnell bekannt und brachte viel Pilger an diesen Ort, der durch die Mühen von Sampedro wieder hergerichtet wurde. Überhaupt hat er viel für die Wiederbelebung der Pilgerkultur getan und eigenhändig viele Kilometer des Pilgerweges markiert und auch einen eigenen Pilgerführer, den Guía del Peregrino, verfasst. Heute liegt der Pfarrer neben der kleinen Kirche begraben.
Neben der großen, neuen Pilgerherberge verfügt der Ort über viele einfache Gasthäuser und Restaurants, und Unterkünfte für Pferdepilger scheint es hier auch zu geben. Ich erklimme den Hügel hinter dem Dorf. Von hier kann ich auch auf den Camino herabblicken. Zwei mutige Radfahrer versuchen gerade die Buckelpiste zu bezwingen. Sieht nicht einfach aus. Ebenso mutig ist das Unterfangen zweier Brasilianerinnen, die ihren Mietwagen die steile Piste im ersten Gang hier heraufpeitschen. Das wäre mir nie in den Sinn gekommen, im Auto hier raufzufahren. Siegesbewusst steigen die beiden Frauen aus, gehen zum Kreuz, beten ausgiebig und, als ich dann auch endlich oben bin, unterhalten wir uns. Der brasilianische Schriftsteller Paulo Coelho ist Schuld, denn er hat mit seinem Buch einen Boom ausgelöst. Deswegen sind auch so viele Brasilianer unterwegs. Ich bleibe eine ganze Weile hier oben sitzen und genieße den Ausblick rundum. Unten im Tal wird es ganz bestimmt wieder so fürchterlich heiß sein wie gestern. Hier aber ist das Wetter erträglich. Irgendwann ist es Zeit, ins Museum zu gehen.
Das Museum ist nur klein und zeigt auch nur ein Palloza von innen. Trotzdem hat sich das Warten gelohnt. Es ist noch nicht ganz Mittag und ich halte es für eine gute
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