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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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sein Boot steuerte mit dem Blut eines anderen Mannes unter den Nägeln. Ich erzählte ihm alles, bis zu dem Punkt, an dem ich mich selbst schuldig gemacht hatte. Da verstummte ich, weil ich mich zu sehr schämte, es auszusprechen.
    Das letzte Mal, als ich mit Daddy gesprochen hatte, hatte ich ausgestreckt am Boden gelegen und mir gewünscht, er würde
mich zu sich hinabziehen und wir könnten Seite an Seite nebeneinanderliegen. Und wie jetzt war ich damals mit schmutzigen Knien aufgestanden und hatte eingesehen, dass es zu spät war, ihn um Hilfe zu bitten. Meine Entscheidungen, die Konsequenzen, alles hatte ich selbst zu verantworten.
    In meinen durchweichten Segeltuchschuhen ging ich den steilen Hügel hinab. Ich stieg unsere Straße hinauf, einen schmalen ungeteerten Weg, der keinen Namen hatte. Ich ging an der großen Eiche mit dem Astloch vorbei, das Justin vergrößert hatte, um Wurftechniken zu trainieren, und dann, viel zu schnell, kam unser Haus.
    Ich stand an der breiten, unbefestigten Einfahrt, die wir mit den Caines geteilt hatten, und erwartete fast, jemand würde zum Essen rufen und ich würde Justin mit fleckigem Hemd und ölverschmierten Händen von der Arbeit heimkommen sehen. Ich überlegte mir, welche Worte ich zur Begrüßung wählen würde, obwohl ich wusste, dass es dafür keine geben konnte. Und dann blieb ich wie angewurzelt stehen.
    Sie war auf der Veranda.
    Sie sollte nicht dort sitzen - es war alles verkehrt. Immer und immer wieder hatte ich es mir vorgestellt, und jedes Mal war es auf die gleiche Art abgelaufen. Ich würde anklopfen, sie würde die Tür aufmachen und verblüfft zurückweichen. Ihre Augen würden sich mit Tränen füllen. »Es tut mir so leid, Kerry«, würde sie sagen. So musste es sein, Reue hinter einer Tür, denn ich wusste, wenn ich ihr Gesicht sähe, bevor sie meines sah, müsste ich mich umdrehen und wegrennen.
    Ich zog an dem Schlüssel um meinen Hals und spürte den vertrauten Ruck auf meiner Haut. Ein Schritt näher. Sie saß auf der Verandaschaukel unter einer Armeedecke, die ich zu kennen
glaubte. Sie trug etwas auf dem Kopf, eine schwarze Mütze oder ein Tuch.
    Noch ein Schritt näher. Ihre Augen waren geschlossen, und ich sah, o Gott, dass nicht sie es war, sondern ich selbst in vierzig Jahren: durchscheinende Haut, die Wangen, Nase und Kinn scharf hervortreten ließ, braune Flecken an den Schläfen, ihr Gesicht völlig kahl - keine Augenbrauen oder Wimpern -, was sie nackt und erschreckt aussehen ließ.
    Das war nicht Eve. Ich rannte los und ließ mich vor ihren Füßen zu Boden fallen. Sie öffnete die Augen und sah mir ins Gesicht, keinerlei Überraschung in ihrem Ausdruck, keine Freude, kein Schmerz, nur ein Fragen, als wüsste sie nicht, wer ich war und was ich hier wollte. Also hielt ich sie fest, regennasses Haar klebte an meinen Wangen, die Bluse klatschte an meinen Brüsten fest, mein Kopf in ihrem Schoß, der Geruch von Ingwer aus ihrer Tasse. Und während dieser Sekunde verschwanden die Jahre. Während dieser ersten Sekunde, bevor ich wirklich ihr Gesicht sah, legte ich die Arme um ihre unvorstellbar schmale Taille, und während dieser ersten Sekunde hatte ich das Gefühl, als wäre ich heimgekommen.

8
    Ich weiß nicht, wie lange ich den Kopf in Eves Schoß gelegt hatte und darauf wartete, dass sie etwas sagte. Aber das tat sie nicht. Sie weinte nicht und machte keine Anstalten, mich anzufassen. Nur ihre Beine bewegten sich unter meinem Gewicht, als sie lang und ruhig ausatmete. Ich zog mich zurück.
    Angeblich sind Augen ein charakteristisches Merkmal, das sich vom Säuglingsalter an nicht mehr verändert. Aber wie sich herausstellte, stimmt das nicht. Ich kannte die Augen nicht, die mich tränenlos und wachsam ansahen. Es war, als hätte Eve genügend geweint, dass es für ein ganzes Leben reichte, und jetzt war sie bereits tot.
    »Ich wusste, dass du kommen würdest.«
    »Ich hätte früher kommen sollen.«
    »Es ist gut, dass du es nicht getan hast. Du hast das Schlimmste nicht mitgekriegt, und jetzt bleibt nur noch das Warten.«
    »Ich wäre gekommen.«
    Dann lächelte Eve, aber es war nicht ihr Lächeln, wie ich es kannte. Es entblößte ihre Zähne und drückte Falten in die hohlen Wangen. »Deinetwegen oder meinetwegen?«, fragte sie.
    Ich schüttelte den Kopf, und sie stand auf und tätschelte meine Schulter, eine schnelle, desinteressierte Berührung. »Justin hat dich angerufen, schätze ich. Ich wusste, dass er sich nicht zurückhalten

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