Auf gluehenden Kohlen
war.
»Noch eines, Kevin. Komm nicht etwa auf die Idee abzuhauen.« Booth gab keine Antwort. Er zitterte vor Angst. Mammon drehte sich wieder zum Parkplatz um. Eine Lampe am anderen Ende des Gebäudes beleuchtete eine schlanke Blondine in einem Whitaker-T-Shirt und Jeans. Sie blieb kurz stehen, ging dann auf den seitlichen Parkplatz zu und rief den Mann, den Mammon gerade gesehen hatte. Mammon kniff die Augen zusammen. Er kannte das Mädchen. Er fragte sich, was sie dort wollte.
Achtes Kapitel
1
Zwei S äulen aus Stein an dem dem Gerichtsgebäude entgegengesetzten Ende der High Street markierten den Haupteingang zum Wishing Well Park. Zwischen den Säulen führte ein breiter Weg zu dem Wunschbrunnen, der 1972 zur Erinnerung an die Männer aus der Whitaker County errichtet worden war, die ihr Leben im Vietnamkrieg geopfert hatten. Hinter dem Wunschbrunnen erweiterte sich der Park zu einem großen Erholungsgebiet mit einem Bootshafen, Baseballplätzen, einem Spielplatz, einer Orchestermuschel und einer Reihe von Wanderwegen.
Es waren nur anderthalb Kilometer von Oscar Watts Haus bis zum Wunschbrunnen, aber Oscar war ein Neuling in der Welt k örperlicher Fitness, und die drei Kilometer Rundweg, die er abwechselnd joggend und gehend zurücklegte, waren die reinen Höllenqualen. Oscar arbeitete als Buchhalter bei J. C. Penney in der Broad Street. Obwohl sein Arzt ihm ständig wegen seines Gewichts in den Ohren lag, ließ Oscar sich keine Sekunde lang durch den Umstand beunruhigen, dass sein Gürtel unter überhängenden Fettrollen verschwand. Er aß gern, und eigentlich musste er nicht unbedingt körperlich fit sein, um Zahlenreihen zu addieren. Aber dann bekam Oscar einen Schlaganfall, und sein Arzt hielt ihm einen feierlichen Vortrag über verstopfte Arterien, irrsinnig hohe Cholesterinwerte und gesättigte Fette. Und statt nun jeden Morgen stapelweise die berühmten mit Ahornsirup und Butter durchtränkten Pfannkuchen seiner Frau zu verzehren, brachte Oscar den Morgen damit zu, sich vor Schmerzen keuchend über die Wanderwege des Wishing Well Park zu quälen.
Mit gesenktem Kopf, schlurfenden F üßen und offenem Mund, um nach Luft zu hecheln, schleppte Oscar sich auf Beinen aus Blei voran. Als der schnaufende Jogger aufblickte, sah er den Wunschbrunnen wie eine geisterhafte Ampel im Dämmerlicht des Morgengrauens schwanken, was ihn daran erinnerte, dass seine selbstauferlegte Tortur zur H älfte vorbei war. Er war hundert Meter von dem Brunnen weg, als er den Gegenstand an dessen Sockel erspähte. Er war fünfzig Meter entfernt, als er meinte, es könnte sich um einen Menschen handeln. Oscar hörte auf zu rennen, beugte sich vor, die Hände auf die Knie gestützt, und versuchte, genauer hinzusehen. Schweiß verdunkelte ihm den Blick. Er wischte sich mit dem Unterarm über die Augen. Konnte das eine Frau sein? Es war schwer zu sagen. Ganz gleich, welchen Geschlechts, die Person lag zusammengerollt um den Sockel des Brunnens, wobei die Knie fast den roten Backstein berührten und die angewinkelten Hände und Arme nicht zu sehen waren, als schliefe die Person. Vielleicht schläft sie ja, dachte Oscar hoffnungsvoll, als er auf den Brunnen zu-schlich.
F ünfundzwanzig Meter entfernt begann Oscar die dunklen Flecken zu erkennen, die die langen, blonden Haare durchtränkt und am Sockel des Brunnens Pfützen gebildet hatten. Er überlegte, ob er gleich einen Polizisten rufen oder noch genauer hinsehen sollte. Oscar wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen und dann wie ein Narr dastehen. Er beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Es war für lange Zeit das letzte Mal, dass Oscar an Essen dachte.
2
Earl Ridgely h örte den Fluss leise rauschen. In der Sommerluft roch es nach frisch gemähtem Gras und Rosen. Der Morgentau polierte ihm die abgestoßenen schwarzen Lederschuhe. Es war einer dieser milden Julitage, die in Ridgely stets den Wunsch weckten, faul in einer Hängematte zu liegen und an einem Glas kalter Sangria zu nippen. Stattdessen schwitzte er in einem Straßenanzug unmittelbar innerhalb der Linie, die von den Gerichtsmedizinern des Kriminallabors des Staates Oregon abgesteckt worden war, während sie die Leiche untersuchten, die neben dem roten Backsteinbrunnen wie hingeworfen lag.
Ridgely war ein schlanker Mann mit sch ütter werdendem, strohblondem Haar, einer Schildpattbrille und einem dichten Schnurrbart. Er stammte aus dem Ort, hatte Stanford mit Auszeichnung absolviert, war aber so klug, an einer
Weitere Kostenlose Bücher