Aufbruch zu den Sternen - Roman
Worten, wir tauschen Hitze gegen Geschwindigkeit aus – je heißer unsere Verbrennungskammer, umso geschwinder der Austritt des Verbrennungsproduktes. Wir würden zu demselben Resultat gelangen, auch wenn gar keine Kraftstoffverbrennung stattfände, sondern wenn wir die Verbrennungskammer von außen heizten. In anderen Worten, wir könnten eine Rakete konstruieren, indem wir irgendein Gas – sogar Luft – in die Heizvorrichtung pumpten und es dann in ausgedehntem Zustand entweichen ließen. Klar?«
»So weit ist es ganz verständlich.«
»Schön. Sie wissen sicherlich auch, dass man aus einem Atombrenner jede beliebige Hitzemenge gewinnen kann, indem man ihn mit immer ergiebigeren Stoffen speist. Das darf man natürlich nicht übertreiben, sonst schmilzt der Brenner, und übrig bleibt eine Pfütze flüssigen Urans, aus der Kohlenstoff quillt. Selbstverständlich würde kein vernünftiger Mensch diesen Augenblick abwarten, sondern lieber vorher über Bord springen.«
»Sie meinen, das Ganze könnte in die Luft fliegen wie eine Atombombe?«
»Nein, das könnte es nicht. Aber ein unzugänglicher radioaktiver Herd wäre auf seine ruhige Weise ebenso scheußlich. Sie brauchen aber gar nicht so zu erschrecken – selbst bei den elementarsten Vorsichtsmaßregeln könnte etwas Derartiges nie passieren.
Doch weiter. Wir mussten also einen Atomreaktor konstruieren, in dem man einen Gasstrom bis zu einer sehr hohen Temperatur erhitzen kann – bis zu mindestens viertausend Grad Celsius. Das hat uns ziemliches Kopfzerbrechen verursacht, da der Schmelzgrad aller bekannten Metalle weit darunter liegt!
Die Lösung, die wir fanden, trägt den Namen ›Linien-Brennpunkt-Reaktor‹. Es ist ein langer, dünner Plutonium-Brenner. Das Gas wird an einem Ende hineingepumpt und beim Durchlaufen erhitzt. Das Endergebnis ist ein zentraler, intensiv glühender Gaskern, auf den die Hitze der ihn umgebenden Elemente wie auf einen Brennpunkt konzentriert wird. In der Mitte beträgt die Düsentemperatur etwas über sechstausend Grad – heißer als die Sonne –, aber wo sie die Wände berührt, nur etwa ein Viertel davon.
Bis jetzt habe ich noch nicht gesagt, was für Gas wir verwenden werden. Es dürfte Ihnen ohne Weiteres einleuchten, dass es umso schneller aus der Düse schießt, je leichter es ist – genauer gesagt, je niedriger sein Molekulargewicht. Da Wasserstoff das leichteste aller Elemente ist, wäre er der ideale Brennstoff, dessen Leistung man mit einem Zusatz von Helium noch steigern könnte. Hier muss ich noch auf etwas anderes hinweisen: Wir reden immer noch von ›Brennstoff‹, als fände wirklich eine Verbrennung statt, aber in Wirklichkeit ist das gar nicht der Fall.«
»Das habe ich nie recht begriffen«, gab Dirk zu. »Die alten chemischen Raketen waren mit Sauerstofftanks versehen, und man gerät ein wenig außer Fassung, wenn man sieht, dass die gegenwärtigen Maschinen nichts dergleichen aufweisen.«
Collins lachte.
»Wir könnten sogar Helium als ›Brennstoff‹ verwenden«, sagte er, »obwohl es überhaupt nicht brennt und an keiner irgendwie gearteten chemischen Reaktion teilnimmt.
Aber wenn, wie ich schon sagte, Wasserstoff auch der ideale Kraftstoff wäre, so ist es doch andererseits unmöglich, mit dem Zeug in der Weltgeschichte herumzugondeln. In flüssigem Zustand gerät er bei einer phantastisch niedrigen Temperatur ins Sieden und ist außerdem so leicht, dass ein Raumschiff Brennstoffbehälter von der Größe eines Gasometers haben müsste. Wir führen ihn also in einer Kohlenstoffverbindung mit uns, und zwar in der Form flüssigen Methans – CH 4 –, das sich leicht handhaben lässt und überdies genügend Dichtigkeit aufweist. Im Reaktor wird es in Kohlenstoff und Wasserstoff zerlegt. Der Kohlenstoff hat allerdings die üble Eigenschaft, dass er leicht zu Verstopfungen des Triebwerks führt, aber das muss in Kauf genommen werden. In gewissen Abständen befreien wir uns davon, indem wir die Hauptdüse abschalten und den Motor mit einem Sauerstoffstrahl ausspülen. Das gibt jedes Mal ein ganz hübsches Feuerwerk.
Damit wären wir bei den Grundprinzipien der Raumschiffsmotoren. Sie erzeugen dreimal so hohe Ausströmgeschwindigkeiten wie chemische Raketen, verbrauchen aber trotzdem eine enorme Menge Treibstoff. Hinzu kommen noch eine ganze Reihe anderer Probleme, die ich überhaupt noch nicht erwähnt habe. Die Abschirmung der Besatzung gegen die Ausstrahlungen des Atombrenners war eines der
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