Augenblicklich ewig
spanischen Inquisition gerade rechtzeitig entkommen zu sein. Sie musste lächeln. Lea würde das Thema so schnell nicht fallen lassen.
Sie packte ihre Tasche für den nächsten Morgen und legte sich danach sofort ins Bett.
Kurz bevor sie einschlief, signalisierte ihr Telefon den Eingang einer Nachricht. Als Polly den Absender sah, spürte sie ein winziges Kribbeln im Magen. Es war schön, dich heute zu treffen. Ich freue mich auf morgen. Sam.
Ein Lächeln breitete sich auf Pollys Gesicht aus. Ich mich auch. Polly.
Schlaf gut.
Gute Nacht. Endlich hatte Polly ihre Antwort. Sam freute sich darauf, wieder mit ihr zu arbeiten. Die Aufregung, Sam erneut zu treffen, hielt sie noch eine Weile wach.
Polly blickte auf die verhüllte Freiheitsstatue und wünschte sich, bei Sam sein zu können. Sie stand am Ufer und schaute auf die Boote, die sich langsam der Insel näherten, die Musik wehte leise herüber und Polly ärgerte sich, weil sie keinen dickeren Mantel angezogen hatte. Es war Oktober und schon sehr kühl, obwohl es gerade einmal Mittag war. Der Wind streifte ihre Beine unter ihrem weiten Rock, und wie immer fühlte sie sich von ihrem steifen Korsett, das ihren Taillenumfang beinahe halbierte, eingezwängt. Sie konnte es kaum erwarten, sich zu Hause aus ihrem Gefängnis zu befreien. Sam hatte nichts dagegen, wenn sie kein Korsett trug. Im Gegenteil, es schien ihm sogar zu gefallen. Polly reckte ihren Hals, konnte Sam aber auf keinem der Boote ausmachen. Sie waren viel zu weit vom Ufer entfernt. Ihr würde nichts anderes übrig bleiben, als zu warten, bis die Zeremonie zu Ende war und die Statue endlich enthüllt wurde. Die Details würde Sam ihr später erzählen, wie so oft, wenn ihr als Frau der Zugang zu einem bedeutenden Ereignis verwehrt wurde. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, fiel das Tuch und die Dame mit der Fackel in der rechten Hand erhob sich imposant über der Insel. Polly musste über die Ironie der Situation schmunzeln. Frauen durften der Enthüllung einer weiblichen Statue nicht beiwohnen. Plötzlich und vollkommen unerwartet durchfuhr ein stechender Schmerz ihren Körper. Sie stöhnte auf und sah an sich hinunter. Ihr Kleid war blutdurchtränkt, ihre Beine drohten nachzugeben.
Pollys Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hatte noch nie zuvor einen so realistischen Albtraum erlebt. Beinahe fühlte sie den Schmerz jetzt noch in ihrem Körper, obwohl sie längst nicht mehr träumte. Sie keuchte. Es war entsetzlich gewesen. In einem Moment hatte sie fasziniert die Freiheitsstatue betrachtet und im nächsten hatte sie vor Schmerzen nicht mehr denken können. Langsam beruhigte sich ihr Atem wieder und sie erholte sich von dem Schreck. Wieder hatte ihr Traum in der Vergangenheit gespielt. Sam war persönlich nicht darin vorgekommen, und dennoch hatten sich ihre Gedanken nur um ihn gedreht. Die Enthüllung der Freiheitsstatue. Sie wusste nicht, wann die Feier stattgefunden hatte. Sicher war sie nicht so abgelaufen wie in ihrem Traum.
Zwischen immer und jetzt
Draußen war es bereits hell. Zeit zum Aufstehen. Sie wollte überpünktlich bei ihrem Termin erscheinen, da ihr Zeitfenster wie das aller Journalisten für Interviews mit amerikanischen Stars knapp kalkuliert war. Sie stand auf und tapste ins Bad.
Dankbar, Sam nicht im Traum gesehen zu haben, kurz bevor sie ihm tatsächlich begegnete, erreichte Polly eine Stunde später das Hotel. Sie trug ihre Lieblingsjeans und die gleichen flachen Sandalen wie bei dem Interview mit dem Politiker, ihrer ersten Zusammenarbeit mit Sam. Statt für eines ihrer Bandshirts hatte sie sich für eine weiße Hemdbluse entschieden, deren Ärmel sie aufgekrempelte. Wie bei ihrem ersten Treffen wartete Sam neben seinem Equipment vor dem Hoteleingang. Er trug ebenfalls eine Jeans und dazu ein weißes T-Shirt und die abgewetzten Lederboots. Seine Haare waren noch ein wenig feucht und einige Strähnen hingen ihm ins Gesicht. Als er sie sah, lächelte er. In Pollys Magen breitete sich unwillkürlich ein leichtes Flattern aus.
Sie lächelte zurück. Wider besseren Wissens ging sie direkt auf Sam zu, als wolle sie ihn zur Begrüßung umarmen. Sie konnte einfach nicht verstehen, warum er Lea bereitwillig die Hand gab und vor ihr zurückwich. Natürlich hätte sie sich einreden können, dass sie nicht gut roch oder ihre Hände irgendwie unansehnlich wirkten. Aber Lea hätte ihr längst den Kopf gewaschen, würde diesbezüglich irgendetwas mit ihr nicht
Weitere Kostenlose Bücher