Augenblicklich ewig
fehlt uns sehr.«
»Das tut mir leid.«
»Muss es nicht. Ich habe früh gelernt, mit dem Tod zu leben.«
Pollys Blick wurde traurig. »Ich verstehe, was du meinst.«
»Sollen wir? Ich bin gespannt, was du von meinen Bildern hältst,« wechselte Sam das Thema, um die Stimmung wieder aufzuhellen.
»Aber gern.« Polly folgte ihm durchs Haus und er hoffte, sie ließe sich von dem alten Prunk nicht zu sehr beeindrucken. Ihm war dieser Reichtum nicht wichtig und er wollte weder, dass sie sich davon angezogen fühlte, noch dass all der Tand sie verschreckte. Vor der Tür der Dunkelkammer angelangt, blieb er stehen.
»Wir müssen nacheinander schnell hineinschlüpfen, es sind noch einige Abzüge in der Entwicklung.«
Polly nickte und er öffnete die Tür einen Spalt, damit sie sich hindurchschieben konnte. Erst als auch er den Raum betreten und die Tür hinter sich geschlossen hatte, wurde ihm die Situation bewusst. Da stand er allein mit Polly in einem halbdunklen Raum. Sein Körper begann unmittelbar zu vibrieren. Auch sie schien die Intimität des Moments zu bemerken und lächelte ihn an. Ihre blauen Augen schimmerten geheimnisvoll in dem trüben Licht und erschienen ihm nur noch verführerischer. Er räusperte sich.
»Schau dich einfach um.« Seine Stimme klang rau.
Wieder nickte Polly und schritt andächtig die Fotos ab, die an einer Schnur quer durch den Raum hingen. Da sie kleiner war als er selbst, musste sie sich bei einigen Bildern in die Höhe strecken, um sie genauer betrachten zu können. Gelegentlich stellte sie ihm eine Frage und nickte als Erwiderung auf seine Antworten kurz. Sam folgte ihr mit den Augen durch den kleinen Raum und war sichtlich angespannt. Nicht nur weil er mit ihr allein war, sondern auch weil er wollte, dass sie seine Arbeit schätzte. Schließlich hatte sie ihre Runde beendet und stand vor ihm.
»Großartig, Sam. Du hast ein solches Talent. Du schaust den Dingen bis auf den Grund.«
»Danke. Ich befürchte nur, das ist zu viel des Lobes. Ich möchte noch besser werden.«
»Die Bilder sind gut, Sam.« Polly betonte jedes einzelne Wort. »Hast du noch mehr?«
»Sicher.« Er griff nach einem Stapel. »Das sind ältere Aufnahmen aus den letzten Wochen. Ich muss sie noch sortieren. Was du hier siehst«, er deutete auf die Schnur, »sind die Bilder der letzten Tage.« Er reichte ihr den Stapel. Wie erwartet ergriff sie ihn und vermied sorgfältig jede Berührung seiner Hand.
Wieder schaute sie die Fotos konzentriert an und kommentierte einige. Sie wirkte so versunken in seine Arbeiten, wie Sam es nur von sich selbst für möglich gehalten hatte. Sie faszinierte ihn von Minute zu Minute mehr.
»Du solltest öfter Menschen fotografieren. Bei ihnen zeigt sich deine Kunst. Du entlockst ihnen ihre Geheimnisse. Die Gebäude und Maschinen sind nicht halb so beeindruckend wie die Menschen auf deinen Bildern.«
»Vielleicht sollte ich dann dich ablichten.« Sam hatte gesprochen, bevor er richtig darüber nachgedacht hatte und hoffte, Polly nicht zu nahe getreten zu sein. Doch sie lächelte.
»Alles zu seiner Zeit.«
Wie so oft verstand Sam nicht, was sie meinte, wusste aber, sie würde ihm die Erklärung schuldig bleiben. Sie verweilte an einem Foto der Sing-Akademie. Es war kein besonders interessantes Bild und er hatte es lediglich geschossen, um die simple Aufnahme eines Hauses als Referenz für potentielle Auftraggeber zur Hand zu haben. Aus einem ihm unerklärlichen Grund betrachtete Polly das Foto jedoch seit Minuten und war vollkommen in ihren Gedanken.
»Gefällt es dir?«
Sie blickte zu ihm auf, als habe sie völlig vergessen, dass er ebenfalls im Raum war, und dann wieder auf das Bild zurück.
»Ja, es erinnert mich an eine schöne Zeit.« Ihre Stimme klang weit entfernt. »Glaubst du wirklich nicht an das Schicksal, Sam?«
»Nein.«
Ein schmerzlicher Ausdruck huschte über ihre Züge, dann schaute sie wieder auf das Foto. »An Vorsehung?«
»Nein, auch nicht an die Vorsehung. Ich glaube an den freien Willen. Warum fragst du?«
»Weil es das Schicksal gibt, Sam - oder die Vorsehung, wie auch immer du es nennen willst.« Ihre Stimme war samtig weich und hüllte ihn ein. Obwohl er ihren Worten keinen Glauben schenken konnte, wollte er nicht, dass sie aufhörte, mit ihm zu sprechen.
»Das kann niemand mit Sicherheit sagen«, entgegnete er, nur damit sie weitersprach.
Ein kleines Lächeln schlich sich auf ihre Lippen und ihre Augen begannen zu funkeln. »Ich weiß es und
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