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Augenblicklich ewig

Augenblicklich ewig

Titel: Augenblicklich ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Neuberger
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schlechtes Gewissen, weil sie sein Vorhaben und ihren eigenen Wunsch, Abstand von der Vergangenheit zu nehmen, selbst mit nur wenigen Worten zunichtegemacht hatte. »Lass uns noch einmal von vorn anfangen.« Sie tippte kurz seine Handfläche an, die immer noch auf dem Tisch lag. Als nichts passierte, legte sie ihre Hand in seine. Er umschloss sanft ihre Finger und streichelte mit dem Daumen über ihren Handrücken.
    »Okay. Warum bist du Journalistin geworden?«
    Sie lächelte. Das war eine einfache Frage. »Ich mag Geschichten.«
    Sam nickte. »Natürlich. Deshalb die Interviews?«
    »Genau. Ich will mit den Menschen sprechen, nicht über sie recherchieren. Das Erlebte aus erster Hand erfahren. Ich will hören, was sie zu sagen haben und gelegentlich auch tiefer graben. Hinter die Fassade schauen. So wie du in deinen Bildern.«
    »Aus diesem Grund fotografiere ich im Gegensatz zu vielen anderen Kollegen inzwischen gerne Portraits. Sie zeigen dem Betrachter oft mehr, als der Fotografierte preisgeben wollte.«
    »Nicht alle Portraits sind so, aber deine ganz sicher. Ich weiß nicht, ob ich mich von dir ablichten lassen würde.« Polly lachte.
    Sam stimmte ein. »Tatsächlich weigern sich einige meiner Freunde, vor meine Kamera zu treten.«
    »Freunde?« Polly war überrascht und entzog ihm ihre Hand.
    Sam sah sie nicht weniger verwundert an als sie ihn. »Selbstverständlich habe ich Freunde, wenn auch hauptsächlich in Berlin. Dachtest du, ich sei ein Einsiedler?«
    Polly schüttelte den Kopf. Was hatte sie eigentlich geglaubt? Irgendwie war Sam für sie so erstaunlich, sie konnte ihn sich überhaupt nicht in einem gewöhnlichen Leben vorstellen. Aber er hatte einen Beruf und natürlich Freunde. Er hatte ein Leben, genau wie sie.
    »Ich weiß nicht, was ich gedacht habe. Das alles ist so neu und eigenartig für mich, ich habe mir gar nicht ausgemalt, wie genau dein Leben aussah, bevor wir uns begegnet sind. Es hätte mir klar sein sollen, dass du die letzten Jahre nicht ausschließlich mit der Suche nach deiner Seelenverwandten zugebracht hast.«
    Sam lächelte sie warmherzig an. »Gesucht habe ich dich eigentlich die ganze Zeit über, zumindest seit ich weiß, wen ich suche. In der Zwischenzeit musste ich allerdings auch ein paar Rechnungen bezahlen und mir die Zeit vertreiben. Seit ich nicht mehr bei meinem Onkel wohne, hatte ich immer eine eigene Wohnung. Wohngemeinschaften liegen mir nicht.«
    »Mir auch nicht. Ich könnte mein Chaos niemals jemand anderem zumuten.«
    Sam sah sich um. »So unordentlich finde ich es eigentlich gar nicht.«
    Polly lachte laut auf. »Du hättest die Wohnung vor einer Woche sehen sollen, das reinste Chaos. Ständig war ich auf der Suche nach meinen Schlüsseln, meinem Notizbuch oder sonst irgendetwas.«
    »Dann waren wir also beide auf der Suche.« Sam grinste schief.
    »Vermisst du deine Freunde?«
    »Nein, heutzutage ist es ja leicht, in Kontakt zu bleiben. Zum Glück wurde das Telefon erfunden.« Er zwinkerte ihr zu.
    Polly verzog vermeintlich schmollend den Mund. »Im Ernst, Sam. Vermisst du dein Leben in Berlin?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Du bist mein Leben. Mein vergangenes, mein aktuelles und vielleicht sogar noch viele weitere.«
    Eine angenehme Wärme breitete sich in Pollys Körper aus. Sam war so aufrichtig in Bezug auf seine Absichten, hielt seine Gefühle nicht zurück. Er offenbarte alles und bewies damit mehr Mut, als sie in seiner Situation gehabt hätte.
    »Zu viel? Hätte ich das nicht sagen sollen?«, fragte er vorsichtig in ihr Schweigen.
    »Nein, genau richtig.« Ihre Stimme klang belegt, aber sie wusste, ohne darüber nachdenken zu müssen, dass sie genau diese Worte hatte hören wollen. Die Gewissheit, ihm so wichtig zu sein, und das, obwohl sie sich gerade erst miteinander vertraut machten, fühlte sich großartig an.
    »Als Kind hatte ich allerdings keine Freunde«, erzählte Sam. »Ich war sehr verschlossen nach dem Tod meiner Eltern. Die Welt durch meine Kamera zu betrachten war leichter, als mit anderen Kindern zu spielen und so zu tun, als sei alles in Ordnung.
    Polly konnte den Schmerz in seiner Stimme hören. »Es war sicher nicht einfach.« Ein Gedanke schoss Polly in den Sinn. »War es nicht merkwürdig, sich als Kind an ein erwachsenes Leben zu erinnern?«
    Sam lachte. »Das wäre sicher mehr als eigenartig gewesen. Nein, als Kind konnte ich mich nicht daran erinnern. Das war wohl auch ganz gut so. Auf diese Weise habe ich alles ganz normal

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