Aus dem Überall
Halsschleiern ein.
Dann schien der kleine, rotgekleidete Alien ihr Starren zu bemerken, und CP hatte plötzlich starke, fremde Eindrücke auf der Zunge und in der Nase – es war nicht gut und nicht schlecht, einfach unbekannt –, es mußte das Aroma ihres Essens sein. Sie lachte wieder und sendete mutig ein schwaches Abbild der Brote mit Käse und Erdnußbutter zurück, die sie aß.
Die Rast war bald vorbei. Nun kamen der große, blaugekleidete Alien und die Känguruhtypen ans Fenster. Der Verschleierte sah CP direkt an und machte drehende Bewegungen mit der Hand. CP verstand; nun war es an ihr, sich inspizieren zu lassen. Gehorsam drehte sie sich um, streckte einen Arm aus, öffnete den Mund, um ihre Zähne zu zeigen, und wackelte mit den Fingern.
Dann hob der Verschleierte den obersten Arm, löste einen Verschluß und ließ langsam einen Schleier fallen. Die Bedeutung war klar: sie sollte sich ausziehen. CP dachte für einen Augenblick an ihre häßlichen Begegnungen mit Meich, an die unzähligen Erniedrigungen, die sie erlitten hatte. Sie zögerte. Aber die Augen des Alien sahen sie drängend an, und er schien freundlich. Als CP sich nicht bewegte, zog der große Alien einen weiteren Schleier ab und zeigte ihr seinen nackten, pelzlosen Bauch und die Hüften. Sie empfing ein starkes, beruhigendes Gefühl – natürlich, für diese Wesen war ihr Körper so neutral wie eine Molluske oder eine Landkarte. Sie öffnete ihren Anzug und trat heraus und streifte die Unterwäsche ab. Zur gleichen Zeit entfernte der Alien, wie um sie zu ermutigen, auch seine restliche Kleidung. CP bemerkte, daß sich die anderen in seiner Gruppe taktvoll abgewendet hatten.
CP staunte – im Schritt, wo bei den Menschen Sexual- und Ausscheidungsorgane waren, hatte der Alien nichts als glatte Muskeln. Aber der Brustbereich war so kompliziert wie eine Gruppe von Meereswesen: Klappen und Lippen, unidentifizierbare feuchte Lappen und Vorsprünge – eindeutig seine Geschlechtsteile. CP hatte keine Ahnung, von welchem Geschlecht er war – wenn überhaupt.
Um sich nicht in wissenschaftlicher Nüchternheit übertreffen zu lassen, zeigte CP sich nackt von allen Seiten und versuchte, Bilder von der menschlichen Fortpflanzung zu übermitteln. Sie bekam keine Antwort – oder eher, nichts, was sie interpretieren konnte. Sie und der Alien unterschieden sich in diesem Punkt anscheinend so stark, daß die Eindrücke nicht zu übermitteln waren. Nur die Ausscheidung schien einigermaßen ähnlich und verständlich.
Schließlich gab der Alien auf und zog seine Schleier wieder an, während er CP bedeutete, es ihm gleichzutun.
Dann sammelte sich die ganze Gruppe vor ihrem Fenster, und CP staunte. Sofort bekam sie ein starkes Gedankenbild, das ihr laut wie ein Schrei sagte: »Geh weg!«
Das Bild zeigte die Calgary, die sich durch die Luft entfernte und in Spiralen höherflog. Der Unterton war nicht feindselig oder drohend, sondern ganz nüchtern. Wenn sie hier nicht leben konnte, mußte sie fortgehen.
»Aber ich kann nicht!«
Sie deutete verzweifelt auf den zerstörten Flügel und sendete Bilder der leeren Treibstofftanks.
Das Gegenbild zeigte die Calgary, die buchstäblich vom Boden gehoben und aus der Atmosphäre geschleudert wurde. Meinten sie die gleiche ›geistige‹ Kraft, die sie vor der Landung abgebremst hatte?
»Nein – nein! Das würde nicht funktionieren!« Sie schickte Bilder von der Calgary, die, im Raum freigegeben, zu ihnen zurückstürzte.
Aber der Gegengedanke kam immer wieder. »Geh weg!« – und dann wiederholten sich die Bilder.
CP hatte eine Idee. Aber wie sollte sie in dieser unveränderlichen Welt Zeit andeuten? Oh, mit einem Stundenglas! Sie sammelte eine Handvoll Krümel zusammen, Glassplitter und andere kleine Überbleibsel, und ließ sie langsam und bedächtig von einer Hand in die andere rieseln. Sie hielt die Finger hoch und zählte etwa ein Dutzend ab und spielte vor, wie sie in schlechter Luft würgte, wie sie zusammenbrach und starb. Als Nachgedanke versuchte sie, noch ein Gefühl der Zufriedenheit und Freude zu schicken.
Der Schildkrötenälteste verstand als erster und schien die anderen aufzuklären.
Sie würde hier nicht lange leben.
Darauf folgte ein kurzer Austausch zwischen den Aliens. Dann kam einer nach dem anderen zum Fenster, hob die Hände und sah herein, schien etwas Ernstes zu sagen und zog sich zurück. Sie war nicht einmal sicher, ob sie überhaupt etwas empfing. Der Schildkrötenälteste
Weitere Kostenlose Bücher