Aus der Spur
ihm schließlich die Position als Chefredakteur eingebracht, oder etwa nicht? Noch war Krakow Flannigans Boss. Aber wenn alles glattlief, würde er es nicht mehr lange sein.
» Hat der Mörder Sie etwa kontaktiert? Und Sie haben die Story ohne mich gebracht? Entschuldigung, um wie viel hat sich unsere Auflage noch mal erhöht? «
» Um zweiundvierzig Prozent. Wir sind alle sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit in der letzten Zeit. Was wollen Sie denn noch? Einen Orden? Wir sind im Nachrichtengeschäft, und diese Story ist größer als Sie. «
Dieser Emporkömmling wagte es, ihn derart herablassend zu behandeln?
» Wer hat Ihnen den Tipp gegeben? Der Eismann? «
» Nein, aber das braucht Sie nicht zu interessieren. Wir fragen Sie doch auch nicht, woher Sie Ihre Informationen haben. Außerdem haben wir der State Police deutlich zu verstehen gegeben, dass unsere Rechtsabteilung hinter Ihnen steht, oder etwa nicht? «
» Doch. Aber ich bin der Einzige, mit dem der Täter bis jetzt direkt gesprochen hat. Und Sie glauben ernsthaft, Sie könnten auf meine Mithilfe verzichten? « Solange seine Kolumnen für die Auflage sorgten, hatte er die Anwälte der Daily Post auf seiner Seite. Zum Teufel mit den Bullen. Flannigan wusste nicht, wer der Mörder war, und es war auch nicht sein Job, das herauszufinden.
» Beruhigen Sie sich, Pat. Kommen Sie so schnell wie möglich in die Redaktion. Natürlich wollen wir Sie für die weitere Berichterstattung an Bord haben. «
Mit ein bisschen Glück würde er sich so etwas nicht mehr lange bieten lassen müssen. Flannigan bedankte sich bei Krakow und beendete das Gespräch mit einem Knopfdruck.
» Für dich immer noch Patrick, du verdammter Bolschewik! « Er knallte den Hörer auf die Gabel und krümmte sich dann unter einem krampfhaften Hustenanfall. Sein Keuchen übertönte fast das Klingeln seines Handys. Den Rechtsverdrehern der Daily Post traute er keinen Schritt weit über den Weg.
Er rang nach Luft und meldete sich. » Flannigan. «
» Musst du deine Schlagzeilen jetzt schon erfinden? « Die verstellte Stimme des Eismanns.
» Sind Sie bereit für meine Fragen? « , meinte Flannigan und angelte sich einen Notizblock. Der Kerl blieb nie länger als eine Minute am Telefon. Normalerweise gab er Flannigan die neuesten Infos und hörte sich seine Fragen an.
» Halt die Klappe. Ich weiß nicht, was du hier abziehst. Ich hab mich nicht gerührt, aber ich kann dir sagen, wer vielleicht als Nächstes dran ist. « Flannigan rann es eiskalt den buckligen Rücken hinunter.
» Glauben Sie mir, ich hatte damit nichts zu tun. Ich bin ein Ehrenmann. Wollen Sie mir vielleicht Ihre Seite der Geschichte erzählen? « Flannigan warf einen Blick auf die Küchenuhr.
» Hab ich doch gerade. «
» Die Bullen sind da aber anderer Ansicht. Sie glauben, dass Sie es waren. « Komm schon, mach den Mund auf, dachte Flannigan. Gib mir etwas, das ich schreiben kann!
» Die sind doch zu bescheuert, um auf so was zu kommen. Irgendwer hat sie auf die Idee gebracht. Das nächste Mal stehst du nicht als Autor auf der Titelseite, dann bist du die Schlagzeile! « Der Anrufer legte auf. Dreiundfünfzig Sekunden.
Scheiße. Flannigan hatte keine Ahnung, ob der Mörder sich wieder abregen würde, aber das Timing hätte schlechter nicht sein können. Ausgerechnet jetzt, wo die New York Times wieder Interesse an Flannigan zeigte! Er war so nahe dran, im Triumphzug nach New York zurückzukehren. Flannigan bezweifelte allerdings, dass der Kerl seine Drohung ernst meinte. Hoffentlich, denn Flannigan konnte ja schlecht jemanden um Hilfe bitten, ohne zuzugeben, dass der Kontakt mit dem Killer abgebrochen war. Dieses Geheimnis würde er für sich behalten müssen.
Kapitel 36
Columbo
Vor dem Haus der Clearys sah Chang einen Kleinbus mit der Aufschrift » Radio Wilmington « stehen.
Es hatte aufgehört zu regnen, und der Himmel hatte eine dumpfe, bleierne Farbe angenommen. An der Haustür lungerte ein groß gewachsener Reporter mit zurückgekämmten Haaren herum, in dem Chang Ace Duffy erkannte. Er hielt ein Mikrofon in der Hand. Chang wählte die Nummer der Clearys mit seinem Handy, aber es war besetzt.
» Komm mit. Red bloß nicht mit dem Reporter. Überlass’ die Sache mir « , sagte Chang zu Nelson. Er stieg aus dem Auto und marschierte auf Duffy zu. Ein keiner, zerknittert wirkender Mann– vermutlich der Sendeleiter– versuchte, ihn aufzuhalten.
» Hey, wir haben das Recht, hier zu sein. Wir wollen nur ein paar
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