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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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hatte einen sicheren, aber zuverlässigen Job abgelehnt, um zu dieser darwinistischen Firma namens Freedom Mutual zu gehen; zweitens, ich wollte diese Feuertaufe unbedingt bestehen.
    Letzteres überraschte mich, denn im Grunde war mir alles an Freedom Mutualein Gräuel, ja, es widersprach meinen sämtlichen Überzeugungen. Dort ging es aggressiv anti-intellektuell zu, obwohl Brad in meiner Gegenwart hin und wieder eine literarische Anspielung machte – nur um mich daran zu erinnern, dass auch er irgendwann mal Bücher gelesen hatte. Alle betrachteten die Welt ausschließlich als Dschungel, durch den man sich kämpfen muss. Warum wollte ich bloß in so ein Haifischbecken springen?
    Wir alle wollen es dem Elternteil heimzahlen, der uns irgendwie enttäuscht hat …
    Aber ist das nicht erbärmlich?!
    Ich brauchte zwei Stunden, um nach Somerville zurückzulaufen. Kaum dass ich zu Hause war, griff ich zum Telefon und rief meine alte Freundin Christy Naylor an, mit der ich mir hin und wieder E-Mails schrieb. Nachdem sie ein Jahr vor mir promoviert hatte, hatte sie einen Lehrauftrag an der University of Oregon erhalten und gerade ihren zweiten Gedichtband veröffentlicht. »Er stand auf der Liste zum Pulitzerpreis und wurde schon in elfhundert Exemplaren verkauft«, hatte sie mir in einer früheren E-Mail mitgeteilt. Es gab immer noch keinen Mann in ihrem Leben, »aber wenn ich Sex will, gibt es ein paar anständige Redneck-Bars – und solange man auf Biker steht (eine Vorliebe, die ich eher widerwillig entwickelt habe), geht hier ganz schön was ab«.
    Die gute alte Christy gab immer noch nichts auf politische Korrektheit. Und als ich ihr sagte, dass ich ihren Rat bräuchte und ihr erzählte, den Job in Wisconsin zugunsten einer Stelle bei Freedom Mutual abgelehnt zu haben, lautete ihr erster Kommentar: »Natürlich bist du hin- und hergerissen – weil du weißt, dass die ganzen Verrückten, mit denen du momentan zusammenarbeitest, dich ebenfalls als Verrückte enttarnt haben, vorausgesetzt, sie schaffen es, einmal von ihren eigenen Verrücktheiten abzusehen.«
    »Ich tue es nur des Geldes wegen.«
    »Das ist doch Quatsch – und das weißt du auch. Ich will dich auf keinen Fall kritisieren. Wenn es nach mir ginge, würde ich auf den roten Knopf drücken und mich aus diesem Scheißjob hier rauskatapultieren. Das Dumme ist nur, dass ich mich so herrlich bequem in diesem arroganten, mittelmäßigen College-Leben eingerichtet habe.«
    »Sicherheit hat auch Vorteile.«
    »Aber du bist noch nie auf Nummer sicher gegangen, Jane – auch wenn du das Gegenteil behauptest. Du brauchst diesen Job, weil du es allen zeigen musst, die dich jemals verletzt haben. Also tu mir den Gefallen, und ruf dieses Arschloch von deinem Vater an. Reib ihm unter die Nase, dass du mehr Geld verdienst, als er jemals in den Händen hatte.«
    Christy beendete unser Gespräch, gleich darauf rief ich meinen Vater an. Die Verbindung nach Santiago war stabil, und als Dad dranging, klang er, als befände er sich auf der anderen Seite des Mondes – und auch, als sei er ein wenig betrunken.
    »Wie komme ich zu dieser Ehre?«, fragte er.
    »Wie geht es dir, Dad?«
    »Warum sollte dich das interessieren?«
    »Darum.«
    »Ich lebe noch.«
    Eine lange Pause entstand. Ich hätte auf der Stelle auflegen sollen, da Dad nur wieder seine üblichen Spielchen mit mir spielte und sein schlechtes Gewissen wegen mir in gespielter Gereiztheit und kühler Distanz ertränkte.
    »Und sonst, Dad?«
    »Rufst du nur an, um mich zu nerven?«
    »Kann ich nicht einfach anrufen, um Hallo zu sagen?«
    In diesem Augenblick hörte ich, wie er Eiswürfel in ein Glas fallen ließ, gefolgt von einem Schwall Flüssigkeit. Dann sagte er: »Also, worum geht es? Sollen wir Konversation machen?«
    »Geht es dir gut?«
    »Das hast du schon gefragt. Doch ja, alles bestens. Consuela ist vor zwei Wochen ausgezogen.«
    »O Gott, das klingt ja schrecklich.«
    »Ja, toll ist es nicht.«
    »Darf ich fragen, was los war?«
    »Nein, aber ich erzähl’s dir trotzdem. Angeblich habe ich sie geschlagen.«
    Ich ließ seine Worte auf mich wirken.
    »Und, hast du?«
    »Nicht, dass ich mich erinnere, aber ich war ziemlich blau.«
    »Wenn sie sagt, dass du sie geschlagen hast …«
    »Ergreifst du jetzt für sie Partei oder was?«
    »Quatsch. Ich will doch nur …«
    »Kennst du jemanden, der mir sofort zehn Mille leihen kann?«
    »Wozu brauchst du 10 000 Dollar, Dad?«
    »Das geht dich einen verdammten Dreck

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