Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
da nicht stehen lassen«, erklärte der Mann, während das Wrack des Wagens, den Keith ihm anvertraut hatte, außer Sicht geriet. »Sich einfach an die Straße zu stellen! Man könnte meinen, Sie hätten die letzten Monate im Winterschlaf verbracht.«
Wie er das meine, fragte Markus.
»Sagen Sie bloß, Sie haben das verpennt. Die Unruhen? All die Idioten, die meinen, sie könnten sich das, was sie wollen, mit der Knarre in der Hand holen?«
»Ich habe in einem abgeschiedenen Dorf gelebt, ohne Fernseher und alles«, sagte Markus und überlegte, dass der Reverend Recht gehabt hatte mit seiner Sorge: Er war noch keinen ganzen Tag unterwegs, und schon fing er an, von dem Dorf zu erzählen. Er nahm sich vor, weiter nichts zu verraten, und fragte den Mann, was er eigentlich hier draußen mache.
»Ich bin Techniker«, erwiderte der und wies auf die Rückbank, auf der zwei große Werkzeugkästen und Plastikboxen mit irgendwelchen Teilen darin standen. »Die ganze Zeit auf Achse. Wayne P. Miller, Wartung von Druckmaschinen und Fotokopierern. Wobei, inzwischen kümmere ich mich auch um Faxgeräte, Briefsortierer und so was, und neulich habe ich sogar mal ’nen Bargeldautomaten in Schuss gebracht. Grob gesagt alle Geräte, die in irgendeiner Form Papier transportieren. Ich bin ein Papierfreak, müssen Sie wissen. Papier, das ist Zivilisation, wenn Sie mich fragen. Nehmen Sie das Papier weg, und unsere Kultur verschwindet. Wissen Sie, warum das alte China dem Rest der Welt siebenhundert Jahre lang überlegen war? Weil sie Papier hatten und alle anderen nur dieses blöde, teure, unhandliche Pergament. Erst als sich das Papier ausbreitete und dann noch der Buchdruck dazukam, hat sich das gedreht.«
Markus nickte höflich. »Da ist was dran.«
»Aber es wird immer schwieriger, von Woche zu Woche, könnte man sagen«, fuhr Wayne Miller fort. Seine Finger waren schwarz verschmiert; Druckerschwärze vermutlich. »Man kriegt immer schwerer Ersatzteile. Was nützt es Ihnen, wenn Sie wissen, was kaputt ist und wie man es repariert, und Sie kriegen das Teil nicht, das Sie brauchen? Sie können’s auch nicht zur Not selber machen; dazu sind die Maschinen heutzutage zu kompliziert. So ein moderner Kopierer, ich sag’s Ihnen … Dagegen ist ein Computer ein Scheiß. Überhaupt können Sie das Internet vergessen: alles Müll. Das ganze Gerede von wegen Information Super Highway war doch nur eine Kampagne, damit ein Haufen Computer verkauft werden. Aber Wissen, Mann, Wissen kriegen Sie nur aus einer Bibliothek. Aus Büchern. Papier, wie gesagt.«
Sie passierten Baker City und folgten der Interstate 84 weiter durch ein immer wüstenhafter werdendes Tal, während der Mann mit der Knollennase und dem zerfurchten Gesicht Markus erklärte, »warum dieses Land vor die Hunde geht. Weil wir allesamt ein Haufen Dummköpfe sind, darum. Ich red nicht mal davon, dass Sie ein Studium abschließen können, ohne eine Fremdsprache lernen zu müssen. Das ist bloß peinlich, aber ich schätze, wir können uns das leisten. Nein, ich rede erst mal einfach nur vom Lesen. Über vierzig Millionen Amerikaner sind praktisch Analphabeten. Und die, die’s nicht sind, bringen im Jahr keine hundert Stunden damit zu, Bücher zu lesen, hocken aber fast zweitausend Stunden vor der Glotze. In der nur Müll kommt, Schwachsinn, absoluter Bockmist. Auf die Weise werden hirnlose Zombies gezüchtet. Ich meine, schauen Sie sich doch einfach um. Schon vor Jahren ist in Kalifornien ständig das Stromnetz zusammengebrochen und in New York die Trinkwasserversorgung, und das war zu Zeiten, als alles andere noch lief. Und was hat man gemacht? Nichts. Wundert es Sie da, dass die jetzt in Kalifornien ohne Strom dasitzen und dass in New York die Cholera ausgebrochen ist? Mich nicht. Und das wird nicht mehr besser, sag ich Ihnen. Ich seh doch die Schulgebäude, in die ich komme. Die fallen regelrecht auseinander, schon seit Jahren. Ich hab Fotokopierer repariert in Räumen, in denen die Decke einsturzgefährdet war. An Schulen, in denen die Hälfte der Räume gesperrt war und der Unterricht in der Turnhalle stattfand. Und die Bibliotheken, wenn es welche gibt … Ich sag Ihnen, mir kommen manchmal fast die Tränen. Alte, zerfledderte, vergilbte Bücher. Bücher, die vor Schmutz richtig klebrig sind. Ich meine, wenn Sie in eine Bücherei gehen, ohne ein Nachschlagewerk, in dem wenigstens der vorletzte Präsident drinsteht – was soll das werden?«
Allmählich ging es steil
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