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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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das immer öfter, dass in ehemaligen Ferienparadiesen Seuchen wüteten, darunter so abgehakt geglaubte Krankheiten wie Diphterie oder die Pest.
    Im Verlauf des Frühjahrs zeichnete sich ab, dass es in Deutschland immer schwieriger wurde, an neue Schuhe oder überhaupt neue Kleidung zu kommen. Da in Deutschland kaum noch Textilien hergestellt wurden, die Transporte aus den Ländern, wohin man die Fertigung verlagert hatte, enorm teuer geworden und die Handelshäuser ohnehin in finanziellen Nöten waren, kam es immer häufiger vor, dass Leute sich regelrecht um T-Shirts oder Unterwäsche balgten. Schneiderkurse und der Handel mit Stoffen boomten, und es kamen wieder Illustrierte mit Schnittmusterbögen auf den Markt.
    Die einzige einigermaßen positive Nachricht war, dass sich einige gefährdete Fischbestände erholt zu haben schienen, weil die Motorschiffe der Fischereiindustrie im vergangenen Jahr seltener ausgefahren waren und viele Firmen aufgegeben hatten.
    Und dann platzte das TDP -Projekt.
    Draußen goss es in Strömen, es blitzte und donnerte, eine wahre Verschwendung an Energie, während Werner und Dorothea in ihrem Wohnzimmer saßen, das Gutachten lasen, das die Bank ihnen geschickt hatte, und der Regen wie ein Wasserfall an der Glasfront herablief.
    Der Wirkungsgrad von maximal 85 %, urteilte das von der Bank bei einem Sachverständigen in Auftrag gegebene Gutachten, werde in der Praxis nie erreicht werden. Das Verfahren der Thermalen Depolymerisation und die Kalkulation seiner Rentabilität beruhe auf Annahmen, die in Zukunft nicht mehr gegeben sein würden. So gehe das Konzept etwa davon aus, dass Abfall einer bestimmten Kategorie im Überfluss vorhanden sei: Plastik, Autoreifen, organische Abfälle aus Massentierhaltung und so fort. Dies seien aber Abfallprodukte der bisherigen, energieintensiven Wirtschaft, die gerade im Schwinden begriffen sei. Man müsse daher davon ausgehen, dass auch diese Art Abfall in absehbarer Zeit nicht mehr verfügbar sein werde. Zudem würden derartige Abfälle bereits heute anders recycled, ja teilweise gesucht und aufgekauft, seien also nicht mehr umsonst, und es sei auch nicht mehr mit einem Erlös aus Entsorgungsgebühren zu rechnen, was die Kalkulation endgültig zum Einsturz bringe.
    »Alles in allem«, las Werner vor, »ist TDP keine Energiequelle, sondern lediglich ein Recyclingverfahren, und unter den für die Zukunft zu erwartenden Bedingungen kein besonders gutes.«
    Daher hatte die Bank die weitere Unterstützung des Projekts gekündigt und forderte nun die gewährten Kredite zurück, gemäß dem Vertrag vom soundsovielten, Paragraf soundso, und so weiter.
    War es das seltsame Licht, dass Werner so kreidebleich wirkte?
    »Wie sollen wir denn das zurückzahlen?«, fragte er mit brüchiger Stimme. »Von jetzt auf gleich? Die sind wohl wahnsinnig.«
    Dorothea schwieg. Es war sicher nicht der Moment, ihn daran zu erinnern, dass sie von Anfang an kein gutes Gefühl dabei gehabt hatte.
    Werner legte das Schreiben beiseite. »Ich red mal mit denen.«
    Es überraschte Dorothea nicht, dass er von dem Termin bei der Bank mit hängenden Schultern zurückkam und sagte: »Wir werden das Haus verlieren.«
    »Ja«, sagte Dorothea und umarmte ihn, hielt ihn so fest, dass sie sein Herz schlagen fühlte. »Aber ich weiß schon, was wir machen …«
    So kam es, dass sie schließlich in die Wohnung hinter dem Laden zogen. Das Haus war sowieso gemietet, also kostete es sie nichts extra, und die Räume wirkten, als gefiele es ihnen, endlich wieder bewohnt zu werden.
    Freilich war weniger Platz. Aber das hieß auch: weniger Heizkosten, weniger zu putzen. Mehr Zeit für anderes.
    Sie gaben vieles weg, konnten auch manches verkaufen, das man früher nicht losgeworden wäre und wegwerfen hätte müssen. Der Frühling war über ihrem Umzug endgültig angebrochen, und die ersten Tage kamen, die so warm waren, dass sie nachmittags im Innenhof sitzen und Kaffee trinken konnten. Die alten, seit Jahren unberührten Rosenstöcke trieben erste Blüten.
    »Auch ganz gemütlich«, konstatierte Werner. War es das Licht? Er wirkte, als sei eine graue Wolke verschwunden, die ihn seit langer, langer Zeit umhüllt und niedergedrückt hatte.
    »Nicht wahr?« Dorothea lächelte.
    Werner nahm einen Schluck, andächtig. Echter Kaffee war auch schon fast wieder ein Luxusartikel.
    »War eine gute Idee, das mit dem Laden«, sagte er.
    »Finde ich auch.«
    Er beugte sich zu dem mit Ziegeln eingefassten

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