Ausgelacht
dann war die Verbindung weg.
«Emil!» Britt hätte so gern geschrien, aber das ging ja nicht. Wenn diese Helfrichs, die im 1 . Stock wohnten, das mitbekämen. Sie würden sich ins Fäustchen lachen.
Britt hatte den verwegenen Plan, Emil die Stofffetzen abzunehmen, aneinanderzuknoten und sich so ein halbwegs tragbares Oberteil zu knüpfen. Dasselbe würde sie mit der Jeans machen. Und dann könnte sie endlich einen Schlüsseldienst anrufen. Das sollte ja wohl kein Problem sein, auch in Bad Nauheim würde es so was geben und eine Auskunft bestimmt auch. Und dann, wenn der bestimmt lahmarschige Schlüsseldienstmann da gewesen war, würde sie baden, und zwar über zwei Stunden lang. Den Hund würde sie einfach in den Garten lassen und morgen alles sauber machen. Die blöden Schlangen würde sie auch noch füttern. Mit was, hatte Tante Dora ihr zwar nicht gesagt, aber auch dafür würde sich eine Lösung finden. Alles, wirklich alles war besser, als hier mit einem Zwergflusspferd seine Zeit zu verbringen, das jetzt auch noch anfing, ihre Schuhe zu zerfetzen.
Wenigstens war Emil dadurch so abgelenkt, dass Britt mit dem Knoten anfangen konnte.
Das Handy klingelte schon wieder. Konnte man sie nicht einfach in Ruhe lassen? Wenn das wieder Tante Dora aus der Flugzeugtoilette war, würde sie sofort bei der Fluggesellschaft anrufen, damit nicht noch Schlimmeres passierte.
«Britt?»
«Ja.» Es war nicht Tante Dora.
« BRITT !»
« JA !» Die Stimme kippte fast und klang panisch und verzweifelt.
«Britt, ich bin’s …»
Emil zerkaute einen Absatz.
«Wer ist ich?»
«Nana», flüsterte ihre beste Freundin, die eben noch gebrüllt hatte. «Britt, Hilfe!»
«Was ist denn los? Bist du in New York?»
«Ja. Nein. Weiß nicht», heulte Nana los. «Es ist was ganz Schreckliches passiert, und ich kann auch nur ganz kurz telefonieren, weil … wenn ich erwischt werde, dann komme ich in …»
Es rauschte in der Leitung.
«Nana!», rief Britt entsetzt. «Wohin kommst du? Wo bist du?»
«Ich bin in …» Krch, krch. «… und da haben sie gesagt …» Krch, krch. «… nie wieder nach Hause …» Krch, krch. «… Hilfe, Hilfe!»
« NANA !» Britt brüllte nun so laut, dass selbst Emil zusammenzuckte und aufhörte, einen Absatz zu verschlucken.
Hektisch wählte Britt Nanas Nummer, aber sie bekam keine Verbindung. Noch nicht mal ein Klingelzeichen ertönte. «Nana», sagte Britt dauernd. «Nana …»
Nackt, wie sie war, rief sie bei Nana zu Hause in München an, aber niemand hob ab.
Und drinnen bellte Otto wie ein Verrückter.
Es war zum Aus-der-Haut-Fahren.
Eins war sicher: Schlimmer könnte es nicht werden.
Plötzlich blitzte es. ‹Nicht auch das noch›, dachte Britt, die seit jeher vor Gewittern mehr Angst gehabt hatte als vor einer Wurzelbehandlung.
Aber es war kein Gewitter.
«Bitte recht freundlich!», rief eine Stimme, die vor Sarkasmus troff.
Britt schaute nach oben. Da stand die Moni und hatte nichts Besseres zu tun, als sie zu fotografieren.
***
Britt lag in der Badewanne und versuchte ununterbrochen, Nana zu erreichen, aber ohne Erfolg. Nachdem die Moni ungefähr fünfhundert Fotos von ihr gemacht hatte, erbarmte sie sich schließlich und warf ihr den Schlüssel runter, natürlich so, dass er im Tümpel landete und Britt danach tauchen musste. Noch gedemütigter wie die C-Promis aus dem Dschungelcamp war sie dann ins Haus geschlichen, hatte den Hund rausgelassen, alle Tiere wahllos mit irgendwas gefüttert und sich Badewasser eingelassen.
Was war nur mit Nana passiert? War sie entführt worden? Aber dann hätte doch jemand Lösegeld erpresst, oder nicht? Wie lief das bei Entführungen ab? Die waren doch dafür da, dass man Geld für die Freilassung der Opfer bezahlte, oder etwa nicht? Gut, manchmal gab es auch Entführungen mit politischem Hintergrund, dann sollten irgendwelche Gefangene aus irgendeinem Gefängnis im Niemandsland entlassen werden, aber Nana hatte mit Politik so viel zu tun wie mit Chemie oder höherer Mathematik. Das Einzige, was sie einigermaßen ausrechnen konnte, war die Summe, die auf ihrer Kreditkarte übrig blieb, wenn sie für tausend Euro eingekauft hatte.
Nanas Mutter war nicht zu erreichen, und sämtliche Leute aus dem Freundeskreis, die Britt natürlich ebenfalls anrief, wussten genauso viel wie sie, nämlich dass Nana nach New York fliegen wollte zu diesem Tim oder mit diesem Tim, den sie im P 1 kennengelernt hatten und der damals schon so merkwürdig
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