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Ausgeliehen

Ausgeliehen

Titel: Ausgeliehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Makkai
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sehen.«
    »In Ordnung«, sagte ich. Sein Gebrüll hatte mich wenigstens wieder in die Gegenwart zurückgeholt, zu den aktuellen Problemen, nicht zu jenen, die siebenundvierzig Jahre her waren und außerhalb meiner Kontrolle lagen. »Dann sag mir, wo die Green Mountain Boys leben.«
    » Lebten. Sie lebten irgendwann im 18. Jahrhundert. Ich weiß es nicht genau.«
    »Und warum magst du sie so?«
    »Wir mussten mal einen Aufsatz schreiben, etwas über den Unabhängigkeitskrieg. Ich wollte Betsy Ross nehmen, aber das Thema hatte sich schon ein anderer geschnappt.« Er trank einen Apfel-Spinat-Smoothie und tat, als würde er ihm schmecken. Wir hatten es tatsächlich geschafft, in der Ödnis ein Reformhaus zu finden, eine Art Ginkgo-Mungobohnen-Oase, und es hatte sich gelohnt. Ich fühlte mich extrem gesund, das erste Mal seit Tagen.
    Wir fuhren durch kleine Städte, die aus zwei oder drei Läden und einer Handvoll Häuser bestanden, die halb zerfallen waren und von denen die Farbe abblätterte. Aus den Fenstern hingen Laken, selbstgemalte Transparente, auf denen stand: »Holt euch Vermont zurück«. Ich hatte im Radio von den Protesten gegen ein Gesetz zur rechtlichen Gleichstellung Homosexueller gehört. Sie hatten ein Telefoninterview mit einem Bewohner von Burlington gebracht, der jung, dynamisch und eindringlich klang. »In diesem Staat geht man total entspannt mit Gegensätzen um. Die Hälfte der Leute ist liberal, die andere ist konservativ, und das geht dann so: ›Du kannst ruhig schwul sein, wenn ich meine Waffe behalten darf.‹ Es ist ein Gleichgewicht der Extreme.« Die Transparente hatten allerdings nicht sehr entspannt ausgesehen. Ich wusste auch noch, dass der Mann im Radio erzählt hatte, er habe an seinem Auto einen Sticker mit dem Spruch: »Holt Vermont einen runter«.
    Genau jetzt erkundigte sich Ian, was diese Transparente bedeuteten. Ich wollte etwas über den Kampf gegen Umweltverschmutzung erfinden, entschloss mich aber, die Wahrheit zu sagen. Ich hatte die ganze Zeit nach einer Gelegenheit für dieses Thema gesucht, es wäre dumm, diese Chance zu verpassen. »Vermont ist ein guter Platz für Schwule«, sagte ich. »Das sind Männer, die Männer lieben. Und sie erlauben ihnen sogar so etwas Ähnliches wie eine Heirat. Aber es gibt ein paar böse Leute, denen das nicht gefällt, die machen solche Schilder.«
    Ian sagte: »Das sind wahrscheinlich die christlichen Häuser.« Ich schaute zu ihm hinüber. Es schien, als sei er stolz auf die christlichen Häuser, und es schien auch, als sei dies das Ende des Gesprächs.
    »Sie sind vielleicht christlich«, sagte ich, »trotzdem hängen die meisten Christen nicht solche Schilder auf. Die meisten von ihnen denken, dass die Menschen glücklich sein sollen, so wie sie sind. Diese da sind voller Hass. Wie die Nazis. Auch die Nazis hatten etwas gegen Schwule, sie schickten sie in die Konzentrationslager, zusammen mit den Juden.«
    Als ich meine Worte im Kopf zurückspulte, begriff ich sofort, dass der Vergleich seiner Familie mit den Nazis vielleicht keine Glanzleistung meinerseits war.
    Eine Sekunde lang war er ruhig, dann sagte er: »Wusstest du, dass Hitler ein Künstler sein wollte? Aber weil er in keiner Kunstschule angenommen wurde, ist er Nazi geworden.«
    »Ja, das weiß ich.«
    »Stell dir vor, er wäre in einer Kunstschule angenommen worden, dann wäre die Welt eine andere.«
    Ich sagte: »Das zeigt nur, dass man den Menschen erlauben sollte, das zu sein, was sie sind. Wenn sie es nicht dürfen, werden sie zu bösen, traurigen Menschen.«
    Er begann zu lachen. »Was wäre, wenn du in eine Galerie gehen würdest, und der Galeriebesitzer würde sagen: ›Hier ist ein schöner Monet, und das auf der linken Seite ist ein früher Hitler.‹ Wäre das nicht komisch?«
    Mir fiel nicht ein, wie ich elegant die Kurve kriegen könnte.
    Er sagte: »Du würdest zum Geschenkartikelladen gehen und Hitler-Postkarten kaufen und sagen: ›Schau dir diesen schönen Hitler an. Ich werde das Bild in meinem Zimmer aufhängen!‹ Und die Leute würden Hitler-T-Shirts tragen.«
    »Ja«, sagte ich, »ja, das wäre besser gewesen!«
    Als ich die weichen Bergkonturen in der Ferne sah, dachte ich über Leos »Ausreißernation« nach und überlegte, dass das Weglaufen eines der Kindheitsrituale war, die ich verpasst hatte, die wütende Flucht zum Baumhaus, den Rucksack voll mit Süßigkeiten, und plötzlich fiel mir ein, dass ich doch einmal weggelaufen war, oder fast

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