Ausgeliehen
Semester, und viele neunzehnjährige Jungen mit Rastalocken spazierten die Straße hinauf zu den Cafés, mit vollgepackten Rucksäcken, die sie wie Schneckenhäuser auf dem Rücken trugen, und nickten dabei mit ihren Kopfhörern vor sich hin.
Nach einer Weile sagte Ian: »Die Leute hier haben schmutzige Haare.«
»Es ist nur eine andere Art Haarmode.«
»Nein, dieser Mann hat einen Zweig aus seinen Haaren herausstehen.«
»Ich verstehe, was du meinst.«
Als wir einen Irish Pub fanden, beschloss Ian, das sei besser als ein italienisches Restaurant. Wir saßen in einer Nische, die offensichtlich aus alten Kirchenbänken gezimmert worden war. Ich sagte, ich hätte keinen Hunger. Er sagte: »Meine Mutter isst immer nur Tomaten.« Ich bestellte mir einen Kaffee, denn ich wusste, dass man Kaffee unentgeltlich nachfüllen lassen konnte, und von der Sahne und dem Zucker würde ich ein bisschen Energie bekommen. Als Ians Essen kam, senkte er den Kopf verdächtig lange über seinem Teller mit Cheddarsuppe. Ich trank meinen Kaffee weiter, weil man nie wissen konnte, wie lange er es aushalten würde.
Als er hochschaute, sagte ich: »Ich muss dir etwas sagen, wir haben fast kein Geld mehr. Ich habe ein bisschen für die Rückfahrt aufgehoben. Nach dem Besuch bei deiner Großmutter. Wir haben nur noch ungefähr hundert Dollar.«
»Was ist mit deiner Kreditkarte?« Er blies so heftig auf die Suppe, dass sie in kleinen Tröpfchen vom Löffel spritzte und auf dem Tisch landete.
»Ich würde sie lieber nicht benutzen«, sagte ich, »weil man sonst leicht feststellen kann, wo wir sind.«
»Mach dir nicht so viele Sorgen«, sagte er. »Ich habe eine Idee für später.« Er nahm die Bücher über Vermont aus der Tüte und legte sie auf den Tisch. »Aber jetzt müssen wir unbedingt herausfinden, wo die Green Mountain Boys gelebt haben.«
Ich klappte das Geschichtsbuch auf, und er nahm sich den Reiseführer. Beim Überfliegen der ersten Kapitel stellte sich heraus, dass Jake, der betrunkene Holzfäller, recht gehabt hatte. Dieser Staat war ein ständiges Schlachtfeld gewesen, angefangen mit den Irokesen, die andere Stämme hinausjagten, über die Franzosen, die das Land als Neufrankreich beanspruchten, über die Niederländer, die Engländer, dann wieder die Franzosen, bis zu den Engländern und bis es zu Massachusetts, zu New York und New Hampshire gehörte. Vermont war nur vierzehn Jahre selbständig gewesen, lange genug, um eine eigene Währung zu drucken, und lange genug, um die Bürger glauben zu lassen, sie hätten es geschafft und in den kommenden Jahrhunderten würden Schüler auf die Green Mountain Boys als Gründerväter und Visionäre zurückblicken. Sie waren so selbständig gewesen, dass sie ihre eigene starke Armee in den Unabhängigkeitskrieg schicken konnten, um den Freiheitskampf eines anderen zu kämpfen.
Danach brach alles zusammen, die Vermonter taten sich mit anderen Staaten zusammen, wurden Staat Nummer vierzehn. Nicht früh genug, um einer der ersten weißen Sterne in der Flagge zu werden, und nicht spät genug, um ein Grenzland, eine Frontier zu bilden. Und Jake hatte recht: Es kamen immer mehr Menschen. Bauern versuchten, hier ihr Glück zu machen, und scheiterten meistens. In den Sechzigern kamen Hippies, in den Siebzigern entstanden Kommunen. Und obwohl das Buch in dieser Zeit endete, mit der »Hoffnung für eine glanzvolle, neue Zukunft für den Staat Vermont«, konnte ich in der Church Street sehen, was danach geschehen war: Die Skiurlauber, die Künstler, die Rucksacktouristen, die politischen Idealisten, die Ausreißer – alle kamen, um mit den Jakes dieser Welt zu wetteifern. Und nun waren auch wir da und versuchten, das Land zu beanspruchen. Mit welcher Begründung? Vielleicht als Zufluchtsort.
Ian war mit seiner Suppe fertig und bat um eine zusätzliche Portion von dem knusprigen Weißbrot, das mit der Suppe serviert wurde. Er legte zwei Scheiben auf meine Untertasse und machte sich daran, die beiden anderen mit Butter zu schmieren. Er schob sich kleine Stückchen in den Mund, als würde er sich auf einen Winterschlaf vorbereiten.
Dann holte er tief Luft und sagte: »Miss Hull, ich muss dich etwas fragen.«
»Du kannst mich alles fragen«, sagte ich, und ein Adrenalinschub ließ meinen Kater verschwinden.
»Okay.« Er fragte mit vollem Mund. »Hast du Jesus mit reinen Kerzen erwartet?«
»Also, ich kann nur antworten , wenn ich verstehe , was du sagst.«
Er rollte mit den Augen und
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