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Ausgeträumt

Ausgeträumt

Titel: Ausgeträumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Leiche?«
»Das nicht grade.«
»Wir machen uns selbst unsere Körper – paß mal auf!«
Wieder das Summen, dann ein roter Blitz, und drüben in der Zimmerecke erschien eine zweite Jeannie Nitro. Sie stand neben meiner Topfpflanze.
»Hallo, Belane«, sagte sie.
»Hallo, Belane«, sagte die Jeannie Nitro, die im Sessel saß.
»Hey«, sagte ich, »könnt ihr in zwei Körpern gleichzeitig sein?«
»Nein«, sagte die Jeannie Nitro im Sessel. »Aber«, sagte die neben der Topfpflanze, »wir können von einem Körper in den andern wechseln.«
Ich stieg aus dem Bett, hob mein Glas vom Boden auf und goß mir noch einen Wodka ein.
»Du gehst ja mit Unterhose ins Bett«, sagte die eine Jeannie.
»Widerlich«, sagte die andere.
Ich setzte mich mit meinem Drink aufs Bett und stopfte mir ein Kissen in den Rücken.
Wieder summte und blitzte es, und die Jeannie neben der Topfpflanze war verschwunden. Ich wandte mich an die im Sessel.
»Hör zu«, sagte ich, »Grovers will dich vom Hals haben. Dazu hat er mich angeheuert, und das werd ich auch tun.«
»Große Worte für einen, der so gut wie nichts auf der Pfanne hat.«
»So? Ich hab schon härtere Fälle geknackt.«
»Tatsächlich? Erzähl mal.«
»Meine Aufträge sind vertraulich.«
»Vertraulich oder nichtexistent?«
»Mach mich nicht wütend, Jeannie, sonst …«
»Sonst was?«
»Sonst …« Ich hob gerade das Glas zum Mund. Als nur noch ein paar Zentimeter fehlten, erstarrte mein Arm. Ich konnte mich nicht mehr bewegen.
»Du bist drittklassig, Belane. Leg dich nicht mit mir an. Diesmal laß ich dich noch davonkommen. Kannst von Glück sagen.«
Von Glück sagen. Das hörte ich jetzt schon zum zweiten Mal in zwölf Stunden.
Jeannie Nitro verschwand. Mit Summen und Blitz. Ich saß im Bett, das Glas immer noch fünf Zentimeter vom Mund, und konnte mich nicht rühren. Während ich abwartete, hatte ich Zeit, über meine Karriere zu sinnieren. Aber der Aufwand lohnte sich kaum. War vielleicht doch der falsche Beruf für mich. Doch für was anderes war es inzwischen zu spät.
Also saß ich eben da und wartete. Nach ungefähr zehn Minuten setzte das Prickeln ein, und ich konnte die Hand ein bißchen bewegen. Dann noch ein bißchen mehr. Ich brachte das Glas an die Lippen, und es gelang mir, den Kopf nach hinten zu legen und den Wodka runterzukippen. Ich warf das Glas auf den Boden, legte mich lang und wartete mal wieder auf den Schlaf. Von draußen hörte ich irgendwo Schüsse, die mir sagten, daß mit der Welt noch alles in Ordnung war. Fünf Minuten später schlief ich so tief und fest wie alle anderen.
Ich wachte auf und fühlte mich mies. Starrte an die Decke mit ihren Rissen vom letzten Erdbeben und sah einen Büffel, der etwas niedertrampelte. Mich wahrscheinlich. Dann sah ich eine Schlange mit einem Kaninchen im Maul. Die Sonnenstrahlen, die durch die zerfledderte Jalousie drangen, bildeten ein Hakenkreuz auf meinem Bauch. Mein Arsch juckte. Kamen etwa die Hämorrhoiden wieder? Ich hatte einen steifen Hals, und im Mund hatte ich einen Geschmack wie von schlechtgewordener Milch.
Ich stand auf und ging ins Badezimmer. Ich haßte es, in diesen Spiegel zu sehen, aber ich tat es trotzdem. Und sah nichts als Niederlagen und Depressionen. Dunkle Tränensäcke unter den Augen. Kleine, feige Augen wie die einer Maus, die der verflixte Kater in einer Ecke hat. Meine Haut wirkte so schlapp, als hätte sie aufgegeben. Als wäre es ihr verhaßt, daß sie zu mir gehörte. Meine Augenbrauen waren verheddert und hingen runter und sahen aus wie der verfilzte Wahnsinn. Grauenhaft. Ich sah zum Kotzen aus. Und hatte eine solche Verstopfung, daß ich nicht mal scheißen konnte. Ich stellte mich zum Pinkeln vor die Kloschüssel, zielte auch richtig, aber es kam seitwärts raus und plätscherte auf den Boden. Ich versuchte eine Korrektur, und jetzt pißte ich die ganze Klobrille voll – ich hatte vergessen, sie hochzuklappen. Ich riß Klopapier ab, wischte den Boden und die Brille trocken, warf alles rein und drückte die Spülung. Als ich aus dem Fenster schaute, saß gegenüber auf dem flachen Dach eine Katze und schiß.
Ich drehte mich um, nahm meine Zahnbürste, hielt die Tube drüber und quetschte. Es kam zuviel raus. Träge glitt es an der Seite runter und fiel ins Waschbecken. Grünes Zeug. Sah aus wie ein grüner Wurm. Ich tunkte den Finger rein, machte mir den Klacks auf die Bürste und fing an zu schrubben. Zähne. Noch so was Bescheuertes, ohne das es nicht ging. Weil wir essen mußten.

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