Azurblaue Gewalt (Carla, John und Franklyn)
nicht lange bitten und reichte ihr die Hand. An dieser zog sie sich hoch und stand auf.
„Ich hatte einen grausamen Albtraum. Ein Monster hatte mich angefallen und mir in den Hals gebissen. Es sah aus, wie ein Gürteltier und konnte unglaublich hoch springen. Ich konnte nicht fliehen, weil meine Füße viel zu schwer waren. Sie klebten am Boden fest. Ich hatte das Gefühl, als ob ich Bleiplatten an den Füßen hatte. Ich bin froh, dass ich endlich aufgewacht bin.“
„Verfluchte Albträume“, beschwerte sich Franklyn , kniete sich vor sie und legte tröstend seine Hände auf ihre Schultern. Sie erwiderte die angedeutete Umarmung, indem sie ihn richtig fest umarmte und sich an ihm festhielt. „Träumst du jetzt neuerdings auch tagsüber diesen Unsinn? Es wird Zeit, dass wir herausfinden, was in uns steckt.“ Franklyn streichelte ihren Rücken und hätte sie am liebsten gar nicht mehr losgelassen. Plötzlich kamen angenehme Vatergefühle in ihm hoch.
Die Gelegenheiten, zu denen sie die Albträume hatten, mehrten sich zusehends. Die Träume traten zu jeder erdenklichen Gelegenheit auf. Mal waren sie in der Bahn davon betroffen, dann im Auto, wenn sie als Beifahrer eingenickt waren. Selbst beim kurzen Ausruhen auf der Couch oder draußen im Garten beim Faulenzen auf der Liege oder auf dem Handtuch traten die Träume auf. Schlafen war jetzt keine Erholung mehr, sondern eine Qual. Einerseits mussten sie schlafen, denn ohne Schlaf kommt der Körper nicht aus. Andererseits waren ausnahmslos alle gerädert und schweißgebadet, wenn sie nach einem Albtraum aufwachten. Auch Don Camillo hatte das Albtraumvirus befallen. Man sah und hörte es sehr deutlich, wenn er während des Schlafens begann, mit den Beinen heftig zu zucken, um sich zu treten und seltsame Laute von sich zu geben. Doch offenbaren wollte sich der Hund den Erwachsenen gegenüber nicht. Er teilte sein Wissen ausnahmslos Sarah mit. Vielleicht hatte er bei ihr das Gefühl, auf wesentlich mehr Verständnis zu stoßen, denn Hunde können nach der Meinung der Erwachsenen nicht reden, geschweige denn logisch denken. Sarah hingegen mit ihrer kindlichen Einstellung sprach sehr oft mit ihm. Er teilte ihr sehr viel über seine Gefühle und Gedanken mit und vertraute ihr, dass sie es nicht weiter erzählen würde.
Da das Träumen sich mittlerweile nicht als vorübergehende Erscheinung, sondern eher als Krankheit darstellte, fragten sich alle, wer ihre Gehirne manipuliert hatte, und wie sie diese Erscheinung wieder loswerden konnten. Da sie nicht wussten, wo sie ansetzen sollten – schließlich waren sie keine Psychologen – entwickelten sie die verrücktesten Theorien.
„Ich könnte zu einem Psychiater oder zu einem guten Hypnotiseur gehen. Vielleicht kann er mir helfen. Wenn ich zu meinem Hausarzt gehe, werde ich vermutlich nur schräg angesehen. Sicher behauptet er erst einmal, ich wäre überarbeitet und benötige mehr Ruhe. Aber das ist es ja nicht. Selbst wenn wir viel Ruhe haben und viel schlafen, werden wir von d iesen Träumen gepeinigt. Ganz im Gegenteil, wir werden genau in dem Moment gepeinigt, wenn wir viel Ruhe haben. Vielleicht brauchen wir mehr Stress.“
„Die Idee mit dem Psychiater finde ich gut“, antwortete Sally. „ Mehr Stress zu haben finde ich allerdings nicht gut. Ruf doch direkt bei einem an. Im Internet wirst du sicher eine Menge davon finden. Und sicher findest du direkt in der Nähe einen. Ich bin gespannt, ob er helfen kann.“
Auch John und Carla hielten die Idee für gut. Sarah hingegen konnte sich unter einem Psychiater nichts vorstellen. Sie hatte noch nie Kontakt zu einem Menschen dieser Gattung.
Franklyn nahm kurzer Hand seinen Tablet-PC und suchte intensiv nach einem Psychiater, der eine gute Beurteilung hatte. Er brauchte nicht lange zu suchen, denn es gab sie wie Sand am Meer. Nach einem kurzen Anruf hatte er bereits einen zeitnahen Termin genannt bekommen.
Sicherlich würde die Behandlung teuer werden, doch musste ihnen geholfen werden. Schließlich waren sie alle betroffen und zeigten bereits gesundheitliche Einschränkungen. Wenn die Manipulation ihrer Gehirne hingegen noch schlimmer werden würde, könnte es passieren, dass sie irgendwann Tagträume im Wachzustand bekommen würden. Diese könnten ihren Alltag gefährden, denn wenn sie Realität und Traum vermischen würden, könnten sie nicht mehr objektiv beurteilen, wie sie zu handeln hätten. Vermutlich würde man sie anschließend in eine geschlossene
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