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Titel: B00G7SVP3K EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Dietze
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ausrutschte und mich die dolchspitzen Zaunzacken durchbohrten. Danach lief ich, ohne aufzublicken und wie batteriebetrieben, den fein geschotterten Kiesweg entlang. Bis ich vor zwei Marmorsäulen stand. Dann setzte ich mich auf die gegenüberliegende Bank, als wäre ich hier verabredet.
    „ Hallo Paps, hallo Kunigunde, ich bin’s Luisa, mir geht’s nicht gut“, sagte ich und fing an mein Herz auszuschütten. Dann erzählte ich alles was sich in den letzten Stunden zugetragen hatte. Ich weinte, fluchte und lachte über meine Dummheit. Aber meistens schwieg ich vor mich hin und starrte auf das Grab. Als die ersten Vögel anfingen zu zwitschern und die Sonne gemächlich am Horizont empor kletterte, verabschiedete ich mich, mit den erkenntnisreichen Worten: „Ich glaube, ich habe den größten Fehler meines Lebens gemacht, ich hoffe, dass der Schmerz der Reue nicht auch noch ein ganzes Leben lang anhält.“
    Ich war schon einige Schritte gegangen, als ich mich noch einmal umdrehte, weil es mir vorkam, als hätte mir Kunigunde etwas nachgerufen.
    „Kind ... wer weiß für was es gut war!“, hatte ich verstanden.
    Ich nickte stumm und lief nachdenklich dem geöffnete n Tor entgegen. Hinaus ins Leben, das mir plötzlich trostlos und befremdlich erschien. Aber irgendwie musste es weitergehen.
     
     

Kapit el 14
     
    Die ersten drei Wochen nach Melchiors Trennung war ich wie betäubt. Ich sah das Leben wie durch einen Grauschleier, magerte ab und hing meinen Erinnerungen nach. Ja, das war das einzige Paradies aus dem man mich nicht vertreiben konnte. In dieser Zeit wünschte ich mir ein Wunder herbei und überlegte in meiner Ausweglosigkeit, ob ich es vielleicht diesmal mit einer toten Kröte herbeihexen könnte. Aber meine Situation war so verfahren, dass jeder Zauber resistent war. Melchior meldete sich nicht mehr bei mir, obwohl ich ihn telefonisch mehrmals um Entschuldigung bat. Sogar einen Brief habe ich ihn geschrieben, der kam wieder zurück, mit der Bemerkung: Annahme verweigert.
    In meiner Mittagspause hatte ich es mir zur Gewohnheit gemacht, mich in ein Cafe zu setzen, das sich direkt gegenüber von Melchiors Geschäft befand, um es zu beobachten. Tagelang, wochenlang … monatelang.
    Nur gut, dass es in dieser Zeit keinen Raubüberfall auf das Juweliergeschäft gab, sonst hätte man mich bestimmt in Untersuchungshaft gesteckt.
    Manchmal sah ich ihn, wenn er einer Kundin beim Hinausgehen die Tür aufgehalten hat te, oder wenn er sein Auto aus der angrenzenden Tiefgarage hinausfuhr, oder wenn er abgeholt wurde … von der hübschen jungen Frau, mit den langen, rotblonden Haaren.
    Obwohl ich mir eine kleine Wohnung hätte leisten können, verzichtete ich darauf, weil ich Angst vor der Einsamkeit hatte. Ich richtete mich im Büro des Bücherladens ein. Dort hatte ich alles , was ich zum Leben brauchte. Eine ausklappbare Couch, einen Tisch, einen Stuhl, eine Kaffeemaschine, eine Kochnische, ein Waschbecken und sogar ein Radio. Aber viel wichtiger, als mein bescheidener Luxus, war die Arbeit. Sie lenkte mich mindestens zehn Stunden am Tag von meinen trübseligen Gedanken ab. Anschließend fiel ich meistens todmüde ins Bett. Trotzdem kam es vor, dass ich nachts nicht einschlafen konnte, weil meine Gedanken wie in einem Teilchenbeschleuniger herumwirbelten. Dann stand ich auf, nahm mir einen Wassereimer und fing an die Bücherregale zu putzen, Staub zu saugen, oder Bücher umzustapeln.
    Einmal habe ich sogar mitten in der Nacht, die Schaufenster umdekoriert und bin dabei eingeschlafen. Am nächsten Morgen wurde ich von Schulkindern geweckt, die ihre Nasen an der Scheibe platt drückten und kichernd an die Schaufenster klopften. Einige waren darunter, die mich gut kannten, weil sie regelmäßig mit ihren Eltern meine Geisterstunde besuchten. Eine von mir ins Leben gerufene Vorlesung. Die fand einmal die Woche statt. Da habe ich den Kindern bei Kerzenschein, Blutorangensaft und Gespensterkeksen gruslige Spuckgeschichten vorgelesen. Das hat mir viel Spaß gemacht, vor allem hat es mich gefreut, dass die Kinder die Bücher dann unbedingt haben wollten.
    Die Wochenenden verbrachte ich auf dem Friedhof . Schließlich hatte ich keine Freunde, mit denen ich etwas hätte unternehmen können. Zu dieser Zeit hätte ich mir gern eine Freundin gewünscht, der ich mein Herz hätte ausschütten können und die mich getröstet oder mir einfach nur zugehört hätte. Aber ich hatte keine. Das ist ja auch immer so eine Sache mit

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