Babylon in Hongkong
wußte, ob er nun tut oder lebendig war. Jedenfalls würde er nicht eher abreisen, bis er ihn gefunden hatte. Er warf einen Blick auf das Gebläse der Klimaanlage und fand es einfach zu laut. Etwas ärgerlich runzelte er die Stirn, schaltete das Radio ein und hörte den Nachrichten zu, während er aus seiner Kleidung schlüpfte, um eine Dusche zu nehmen.
Das Bad war ziemlich klein, der Duschkopf glotzte schräg aus der Wand, und Suko mußte sich in die Wanne stellen, um die Strahlen auf seinen Körper prasseln zu lassen.
Acht Minuten später war er fertig und auch abgetrocknet. Dennoch verspürte er eine gewisse Müdigkeit. Seit der Ankunft in Hongkong hatten er und John keine Minute Ruhe gehabt, deshalb wollte er die Zeit nutzen und sich aufs Bett legen.
Er zog sich an und schaltete nur die Nachtischleuchte ein. Die Vorhänge ließ er offen. Hinter der Scheibe glitzerte und leuchtete es in zahlreichen Farben. Die großen Reklamewände glichen schon kleinen Kunstwerken. Chinesische Musik drang aus den Lautsprechern. Suko hatte ihr früher oft gelauscht, jetzt kam sie ihm fremd vor, schläferte ihn allerdings ein. Er merkte sehr deutlich, wie die Müdigkeit durch seine Knochen kroch und auch das Gehirn erreichte.
Wie eine Lähmung kam es ihm vor, und Suko wunderte sich darüber, daß sich etwas in seinem Schädel veränderte. Er glaubte, daß er wachsen würde, zugleich spürte er den Druck, der sich Minuten später zu einem leichten Schmerz steigerte.
Das war nicht normal. Selbst Suko, der sich in einem für ihn ungewöhnlichen Zustand befand, merkte dies. Er lag auf der Seite, drehte sich jedoch auf den Rücken, weil er in die Höhe schauen wollte. Etwas zwang ihn dazu, derartig zu reagieren.
Unter der Decke befand sich ein dünnes Gitter, durch das die Klimaanlage frische Luft blies. Wirklich frisch?
Suko runzelte die Stirn, denn er sah genau, daß sich vor dem Gitter lange, dünne Fäden entlangzogen, als Wolken durch die Öffnung stießen und sich anschließend verteilten.
War das normal?
Suko überlegte. Dabei fiel ihm auf, daß er sich anstrengen mußte. Er zwinkerte mit den Augen, verfolgte die dampfigen oder wolkigen Nebelschleier und wußte plötzlich, daß man ihn reingelegt hatte. Gas!
Ja, es war Gas, das durch die Klima-Anlage in sein Zimmer drang. Für Suko stand fest, daß der Arm des Mandarins auch bis in die Luxushotels reichte und man ihm in Hongkong nicht entkommen konnte. Das Gas besaß eine teuflische Wirkung. Es machte Suko nicht bewußtlos, aber es schläferte ihn ein, und es reduzierte vor allen Dingen seine Bewegungen auf ein Minimum. Er wurde träge, es fiel ihm sehr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Wenn er etwas folgerichtig analysieren wollte, hatte er seine Mühe.
Du mußt weg! Du mußt aufstehen und aus dieser verdammten Falle fliehen! Das hämmerte er sich ein, nur war es für ihn nicht einfach, diesen Vorsatz in die Tat umzusetzen.
Das verdammte Gas schien durch seine gesamten Poren in den Körper gekrochen zu sein. Es hatte ihn regelrecht überschwemmt und ihn auch teilweise gelähmt.
Er versuchte es trotzdem. Konzentration auf die Tat, versuchen, den Oberkörper anzuheben — und…
Suko schaffte es nicht. Er konnte sich höchstens auf die Seite rollen, was ihn abermals große Ansiregungen kostete. Seltsamerweise blieb sein Gehör scharf, beinahe schon überempfindlich. Das Summen der Klimaanlage war für ihn zu einer Begleitmusik geworden, die plötzlich von einem anderen Geräusch übertönt wurde.
Suko hörte genau, daß jemand dabei war, die Tür zu öffnen. Er merkte dieses leise Knarren und glaubte auch, einen Luftzug zu spüren, war sich aber nicht sicher.
Vom schmalen Gang her fiel ein Schatten in den Raum. Er war brusthoch und viereckig. Ein kleiner Wagen, der auf lautlosen Gummirädern lief. Man sah ihn in jedem Hotel. Der Wagen besaß ein Gestänge, in das ein Sack für schmutzige Wäsche eingehängt werden konnte. Der Sack hier bestand aus besonders widerstandsfähigem Material. Er konnte auch einen Menschen aufnehmen, ohne zu zerreißen.
Zwei Gestalten schoben ihn. Männer, die aussahen wie Clowns, denn sie trugen Masken vor ihren Gesichtern, damit sie in der gasgeschwängerte Luft atmen konnten.
Sie kamen näher…
Unheimlich sahen sie aus, glichen Wesen aus einer fremden Welt, und Suko wußte, daß ihm so gut wie keine Chance blieb, ihnen zu entwischen. Dennoch wollte er sich nicht ergeben.
Himmel, wie schwer war sein Arm! Welch eine Kraft
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