Babylon: Thriller
wohl nach Osten unterwegs.
»Wir sind südlich von Tikrit und östlich von Samarra«, sagte Mazare. »Wenn alles gut läuft, müssten wir schon bald in Bagdad sein. Ich hätte lieber eine direktere Route genommen, aber ich muss Kontrollstellen und Militärposten vermeiden.«
Nach kurzer Fahrt lenkte er den Wagen an den Straßenrand und stoppte neben einem windschiefen Holzschuppen. Vermutlich die Hütte eines Hirten. »Im Kofferraum sind bessere Kleider.« Er deutete auf den Schuppen. »Sie können sich dort drin umziehen.« Die Schleimspuren auf meinem Hemd und meiner Hose signalisierten unübersehbar, dass er recht hatte.
»Was hat Tomas eigentlich gegen mich?«, wollte ich von ihm wissen, nachdem ich wieder in den Wagen gestiegen war und wir unsere Fahrt fortsetzten.
»Er findet, Sie hätten keine Moral.«
Mir fielen dazu mehrere Entgegnungen ein, aber ich verkniff sie mir. Mit Mazare hatte ich keine Differenzen.
»Warum dann diese Mühe, mich zu beschützen?«
Mazare sah mich kurz von der Seite an. »Ari schäumte vor Wut, als er erfuhr, was Tomas getan hatte – dass er Nahums Buch an sich genommen und Sie im Stich gelassen hatte, so dass Ward und seine Aasgeier Sie in ihre Gewalt bekamen, und dass Sie beinahe durch uns den Tod gefunden hätten. Er drohte Tomas. Es war das erste Mal, dass ich ihn so etwas habe tun hören. Ari meinte, er werde dafür sorgen, dass in den Nachrichten über den Tempel berichtet und seine genaue Lage genannt werde, wenn Tomas Sie nicht rettet. Deshalb haben wir Sie so lange mitgeschleppt. Um sicherzugehen, dass Sie sich wieder hundertprozentig erholen.«
»Wann haben Sie das gehört?«
»Vergangene Woche.«
»Soll das heißen, dass Ari hier ist? Ich dachte, es sei zu gefährlich für ihn; dass er stattdessen in London sein soll.«
»Er kam zurück. Tomas versuchte ihn aufzuhalten, aber Ari weigerte sich, seine Reportage abzubrechen. Er sagte, er könne die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen. Die Foltern hätten erst dann ein Ende, wenn er über sie berichte. Er komme nicht mit dem englischen Fernsehen. Es gebe andere Möglichkeiten, ins Land zu gelangen. Er meinte, die Amerikaner würden es nicht erfahren.«
Ich erinnerte mich an Eris’ Telefongespräch. Es gibt hier bestimmte Leute, die davon unterrichtet werden müssen, dass Ari Zakar zurückgekommen ist.
Ich fuhr zu Mazare herum. »Ich muss mit Ari reden. Sie wissen, dass er wieder im Land ist. Sie hatten ausreichend Zeit, auf ihn zu warten.«
Mazare runzelte die Stirn. »Woher wissen Sie das?«
»Bringen Sie mich nur zu ihm. Und beeilen Sie sich, um Gottes willen.«
»Ich soll Sie auf kürzestem Weg zum Hotel fahren.«
Jetzt brüllte ich ihn an. »Er wird in genau dem Gefängnis landen! Ich wage gar nicht, mir vorzustellen, was sie mit ihm tun werden! Sie müssen mich hinbringen!«
Mazare zuckte die Achseln. Er machte sich Sorgen, wusste aber offenbar nicht, was er tun sollte.
»Da, nehmen Sie das. Ich bezahle Sie.« Ich holte die Rolle Banknoten hervor, die Ward mir gegeben hatte, und warf sie in seinen Schoß.
»Ich will Ihr Geld nicht.« Er warf die Rolle zurück. Dann griff er nach seinem Telefon, tippte eine Nummer ein und behielt die linke Hand am Lenkrad. Als sein Gesprächspartner sich meldete, redete er eine Zeitlang Assyrisch, wartete auf die Antwort und beendete dann das Gespräch. »Tomas sagt, dass das Team eine offizielle Dreherlaubnis hat, aber dass wir Ari trotzdem suchen sollen. Gott sei Dank. Er will ebenfalls versuchen, ihn telefonisch zu erreichen.« Er trat aufs Gaspedal, wendete und fuhr nach Westen.
Wenn wir uns einer der Hauptschnellstraßen näherten, würde sicherlich auf uns geschossen. Daher rasten wir über Straßen, die kaum diesen Namen verdienten und die nicht mehr waren als unbefestigte Pisten voller Schlaglöcher, groß wie Granattrichter. Einmal mussten wir sogar die Straße verlassen, um einen stinkenden Morasttümpel zu umfahren. Für die Routen, die wir benutzten, fuhr Mazare beängstigend schnell, doch ich hätte wahrscheinlich den Fuß gar nicht vom Gaspedal genommen und den Wagen noch rücksichtsloser vorwärtsgeprügelt.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als der Wagen durch zunehmend hügeliges Gelände jagte. »Wohin fahren wir?«, wollte ich von Mazare wissen. »Ich dachte, Ari sei irgendwo in Bagdad.«
Für einen kurzen Moment löste er den Blick von der Buckelpiste. »Er dreht mit einem Team Reportern von RaiNews24 aus Italien in Abu-Ghuraib. Das
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