Bad Fucking
nicht erpressen. Über die Herumpuderei der Honoratioren wussten ohnehin mehr Leute Bescheid, als manchem Parteikollegen des schwarzen Generaldirektors, der auch Träger des
Groß-Sterns des Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich
war, lieb sein konnte.
Nicht auf dem neuesten Stand war Hintersteiner allerdings, was die Herkunft der Prostituierten betraf. Leitinger war vor einem Jahr nämlich auf Prostituierte aus Rumänien umgestiegen, weil diese nicht nur wilder, sondern im Paket auch billiger waren als ihre Kolleginnen aus Polen. Anlässlich der Eröffnung der fünfzigsten rumänischen Filiale seiner Bank in Temeswar hatte Leitinger dort Callgirls kennengelernt, die Dinge taten, die den katholischen Prostituierten aus Polen dann doch ein bisschen zu steil waren. Selbst der erzkonservative Wirtschaftsfunktionär Dr. Stiegerl, der Leitinger auf seiner Reise nach Temeswar begleitet hatte, war von der Qualität der rumänischen Prostituierten begeistert gewesen.
Als Vermittler in Temeswar fungierte ein gewisser Ioan Petrescu, dessen Sohn Nicolae seit 1989 in Wien lebte, was aber Dr. Leitinger nicht wusste. Lediglich der Bauunternehmer Alois Besamer jun., der ein guterFreund Leitingers war und sämtliche Ausschreibungen zur Errichtung seiner rumänischen Bankfilialen gewann, wurde vom alten Petrescu während eines separaten Treffens dezent darauf hingewiesen, dass ihm sein Sohn Nicolae in Wien für spezielle Dienstleistungen jederzeit zur Verfügung stünde.
Hintersteiner wurde wütend, als er an Leitinger und seine Prostituierten dachte, aber nicht, weil er deren Treiben verwerflich gefunden hätte, sondern weil er selbst nie zu diesen Orgien eingeladen wurde. Stattdessen hatte er zu Hause eine Frau sitzen, die vor lauter Antidepressiva nicht mehr wusste, ob es Tag oder Nacht war. Es war zum Aus-der-Haut-Fahren.
Früher hatte er gedacht, dass mit zunehmendem Alter alles besser werden würde. Aber genau das Gegenteil war eingetreten. Wohin Hintersteiner auch blickte, taten sich Abgründe auf. Sein Sohn Philipp war ein Versager, der nicht einmal ein kleines Provinzhotel managen konnte. Sein Stiefsohn Kilian war ein Junkie, der sich nach der Abwicklung undurchsichtiger Geschäfte in Prag angeblich in Wien versteckt hielt. Seine Frau war ein Wrack, das mehr Tabletten schluckte als der verblichene Michael Jackson. Und er selbst stand kurz vor dem finanziellen Ruin. Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, war die Gemeinde gerade im Begriff, die letzte Million, die sie auf seinen Druck hin in hochspekulative Papiere investiert hatte, zu verlieren.
Der einzige Hoffnungsschimmer, der sich am Horizont abzeichnete, war das Bauvorhaben am Höllensee, das ihn unter gewissen Umständen retten könnte. Hintersteiner hatte dieses Projekt in den letzten Wochen ohne jedes Aufsehen vorangetrieben, denn schließlich war er als Bürgermeister oberste Baubehörde und musste nichtgleich wegen jeder Kleinigkeit den Gemeinderat einberufen. Die Sache hatte nur einen Haken: Das einzige Grundstück, auf dem die Zufahrtsstraße zum geplanten Asylantenheim errichtet werden konnte, gehörte Vitus Schallmoser. Und nach allem, was in der Vergangenheit vorgefallen war, würde sich Schallmoser eher eine Hand abhacken, als Hintersteiner auch nur einen Millimeter entgegenzukommen. Schallmoser war ein kompletter Spinner, und mit solchen Leuten konnte man nicht reden. Hätte es in diesem Teil des Waldes ein öffentliches Fahrtrecht gegeben, wäre alles kein Problem gewesen. Aber es gab kein Fahrtrecht, und alle anderen Zufahrtsvarianten konnte man vergessen, weil der Boden dort zu sumpfig war und entsprechende Aufschüttungs- und Adaptierungsarbeiten Millionen verschlungen hätten.
In zwei Tagen würde das entscheidende Gespräch mit der Innenministerin Maria Sperr stattfinden, und bis dahin musste er konkrete Vorschläge auf den Tisch legen. Als Hintersteiner vor einigen Wochen mitbekommen hatte, dass Sperr verzweifelt nach einem geeigneten Standort für ein Erstaufnahmezentrum für Asylwerber suchte und der Gemeinde, die ein solches Heim errichten würde, zweistellige Millionenbeträge versprach, hatte Hintersteiner sofort im Ministerium angerufen. Bei der Besichtigung des Areals, die ein paar Tage später unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, war Sperr jedenfalls hellauf begeistert gewesen. Bad Fucking lag am Ende eines Tales in einer Sackgasse, und zum Asylantenheim am Ufer des Höllensees würde nur eine einzige
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