Bad Fucking
Monat zwei bis drei Einsätze zu erledigen, bei denen nur ganz bestimmte Marken gestohlen wurden. Einmal waren Opel-Kleinwägen gefragt, ein andermal Toyota-Jeeps oder Volvo-Kombis. Pro Nacht wurden maximal fünfzehn Autos gestohlen, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem festgelegten Ort abzuliefern waren. Von dort wurden die Fahrzeuge über verschiedene Grenzübergänge nach Polen, Ungarn, in die Slowakei oder – in seltenen Fällen – nach Rumänien gebracht. Für Autoschieber, Drogendealer, Menschenhändler und Geldfälscher waren die offenen Grenzen innerhalb der EU ein Geschenk des Himmels, und es gab keinen Großkriminellen, der auch nur ein schlechtes Wort über die EU verloren hätte. Dass seit der Ermordung von mehr als zweihundert Roma und Sinti in Ungarn die Grenzen zu diesem Land vorübergehend geschlossen waren, war ein Wermutstropfen, der aber leicht zu verschmerzen war.
Das Honorar für einen Autodiebstahl betrug üblicherweise zwischen zwei- und dreitausend Euro. Kilian verdiente also genug, um sich neben einer kleinen Mietwohnung auch noch Drogen und Prostituierteleisten zu können. Auseinandersetzungen mit Dealern und Zuhältern, zu denen es in letzter Zeit immer häufiger gekommen war, waren dann auch der Grund gewesen, weshalb Kilian von
Rambo
gekündigt worden war.
Rambo
legte Wert darauf, dass sich seine Leute möglichst unauffällig verhielten. Da Kilian wusste, wie in Prag der Hase lief, kam diese Stadt als Operationsgebiet für ihn nicht mehr in Frage. Der Brief seines Vaters, der ein Versöhnungsangebot enthielt, das er nicht ausschlagen konnte, war also gerade zum richtigen Zeitpunkt gekommen.
»Mich interessieren diese Geschichten nicht mehr«, schrie Dr. Ulrich in den Telefonhörer. »Ich hätte mir ja denken können, dass alles, was du anpackst, schief läuft. Genau wie damals –.«
Das waren exakt die Worte, die Kilian in seiner momentanen Situation nicht hören wollte. »Hör auf mit dieser alten Geschichte. Du weißt so gut wie ich, dass das nicht meine Schuld war.«
Die
alte Geschichte
hatte sich vor zehn Jahren zugetragen, als Kilian seinem Kumpanen Jakob vorgeschlagen hatte, in den Sommerferien einen Mercedes SLK 500 von München nach Palermo zu überstellen. Die Überstellung von Fahrzeugen war immer schon ein florierender Geschäftszweig gewesen, bei dem Studenten viel Geld verdienen konnten. Obwohl Jakob bei der ganzen Aktion ein mulmiges Gefühl hatte, ließ er sich von Kilian schließlich überreden, und die beiden fuhren nach Palermo, wo sie allerdings kein Überstellungshonorar kassierten, sondern verhaftet wurden. Beim Mercedes hatte es sich um ein gestohlenes Fahrzeug gehandelt, das aber wahrscheinlich trotz der Beschlagnahme durch die Polizei nicht mehr nach Deutschland rücküberstellt wurde.Die zwei Wochen im Gefängnis von Palermo gehörten jedenfalls zu den schlimmsten Erfahrungen, die Dr. Ulrich je gemacht hatte, und waren auch der Grund für das Ende seiner Freundschaft zu Kilian gewesen. Im Laufe der Jahre hatten sich die beiden zwar wieder versöhnt, aber ihr Verhältnis blieb distanziert. Die Kluft zwischen ihnen hatte sich noch vergrößert, als Jakob sein Medizinstudium abgeschlossen hatte und Kilian plötzlich als Versager dastand. Kilian hatte zwar versucht, im Hotel seines Vaters Karriere zu machen, war aber kläglich gescheitert. Allerdings war sich Dr. Ulrich nicht sicher, ob nicht in Wirklichkeit Kilian die treibende Kraft hinter den finanziellen Turbulenzen war, die Vitus Schallmoser schließlich ins Gefängnis brachten. Dass Kilian nämlich sofort nach der Verurteilung seines Vaters von der Bildfläche verschwand, schien alles andere als ein Zufall gewesen zu sein.
»Und außerdem«, fuhr Kilian zu seiner Verteidigung fort, »brauchst du nicht so zu tun, als hätte nur ich Dreck am Stecken.«
Dr. Ulrich platzte jetzt endgültig der Kragen. »Weißt du was, ich möchte mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben und bestehe darauf, dass du mir sofort meine fünftausend Euro zurückzahlst. Da ich ja annehme, dass du morgen zum Begräbnis deines Vaters nach Bad Fucking kommst, können wir die ganze Angelegenheit gleich vor Ort regeln.«
Kilians Antwort kam ohne Zögern. »Das kannst du dir abschminken. Wir haben vereinbart, dass du fünftausend Euro in das Unternehmen investierst und du am Ende des Jahres die doppelte Summe herausbekommst. Schau dir die Vereinbarung an, die du unterschrieben hast.«
»Das heißt also, dass ich die
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