Bad Fucking
wegwendete und in ihr Angesicht schaute, sah ich die Tränen in ihren Augen
.
Adalbert kicherte und dachte zur Ablenkung an den dicken Stifter und dessen noch dickere Frau Amalia.
Zu Vitus Schallmosers Verabschiedung hatten sich in der Kirche von Bad Fucking etwa fünfzig Personen eingefunden. Sie standen im Mittelgang in einer Zweierreihe hinter dem Sarg und warteten ungeduldig darauf, durch das kleine Glasfenster endlich einen letzten Blick auf den Toten werfen zu können. Üblicherweise schaute man sich den Verstorbenen ja vor der Messe in der Aufbahrungshalle an, aber aufgrund der nicht funktionierenden Kühlanlage sah sich der Pfarrer gezwungen, den Ablauf der Zeremonie zu ändern.
Pater Bonifazius hatte sich zwar kurz überlegt, diesen Teil der Feierlichkeit überhaupt ausfallen zu lassen, aber da er wusste, dass viele Leute nur wegen dieses letzten Blicks auf den Toten zu den Begräbnissen kamen, hatte er sich dafür entschieden, das Sichtfenster im Sargdeckel doch noch offen zu lassen. Vor einigen Jahren, als ein junger Mann beerdigt wurde, der sich bei einem Motorradunfall schwerste Kopf- und Gesichtsverletzungen zugezogen hatte, begannen einige Bekannte des Toten in der Aufbahrungshalle sogar zu randalieren, weil sich Pater Bonifazius angesichts des grauenhaften Zustands der Leiche geweigert hatte, das Sargfenster offen zu lassen. Vitus Schallmoser hatte sich beim Sturz in der Höhle glücklicherweise nur am Hinterkopf verletzt.
Pater Bonifazius beobachtete die schwitzenden Männer und Frauen, die unaufhörlich nach vorne drängten. Er schwitzte ebenfalls und ärgerte sich, dass er nicht zumindest seinen schwarzen Rock in der Sakristei gelassen hatte. Überhaupt wäre es gescheiter gewesen, alles auszuziehen und nur mit dem Priestergewand bekleidet die Messe zu zelebrieren. Er stellte sich vor, wie sein nasser Körper nach der Messe von der Pfarrersköchin mit dem Handtuch von der Bausparkasse trockengerieben wurde, konnte den Gedanken aber nicht mehr zu Ende denken, weil die Trauergäste unaufhaltsam Richtung Sarg drängten.
Die Ersten hatten bereits begonnen, Hintersteiner und seiner Frau Karin ihr Beileid auszusprechen. Da der Bürgermeister seine Frau mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt hatte, verlor diese immer wieder ihr Gleichgewicht und musste von ihm gestützt werden.
Wellisch, der in der ersten Reihe neben Stallinger saß, war schon seit der Früh schlecht aufgelegt, weil ihm beim Angeln die Schnur mit dem
Black
-
Beauty
-Blinker abgerissen war.
Black Beauty
war ein zehn Gramm schwerer Drillingsblinker, dessen schwarzes Rotationsblättchen mit gelben Punkten eine Bachforelle imitieren sollte. Wellisch hatte schon viele Blinker in den Bächen und Flüssen der Umgebung ausprobiert, aber gegen
Black Beauty
kam keiner an. Der Postenkommandant wurde aus seinen Gedanken gerissen, als die Trauergäste begannen, das kleine Holztreppchen neben dem Sarg zu besteigen.
Bereits der Erste, der von oben einen Blick auf den toten Schallmoser warf, zuckte kurz zusammen und sah sich Hilfe suchend um. Als dann die alte Angelmaier-Bäuerin, die als Zweite an der Reihe war, einen spitzenSchrei ausstieß und sich dreimal bekreuzigte, lehnte Hintersteiner seine Frau kurzerhand an eine Kirchenbank und ging zum Sarg. Da dort bereits ein ziemliches Gedränge herrschte, musste er sich den Weg durch die Menge unter Einsatz seiner Ellenbogen und seines dicken Bauchs bahnen. Hintersteiner beugte sich über das Glasfenster und traute seinen Augen nicht. Schallmoser sah aus, als käme er direkt von einem Faschingsumzug. Sein Mund war mit rotem Lippenstift zu einem grotesken Lächeln geschminkt und seine Stirn bedeckten lange Fransen, die knapp über den Augen schnurgerade abgeschnitten waren. Und als ob das alles nicht schon gereicht hätte, trug der Tote auch noch einen Jägerhut.
Hintersteiner hätte am liebsten laut aufgeschrien, aber das Letzte, was er jetzt brauchen konnte, war ein Eklat bei Schallmosers Beerdigung. Also bekreuzigte er sich und klappte den Deckel über dem Sargfenster kurzerhand zu. Als diejenigen, die noch keinen Blick auf Schallmoser werfen konnten, gegen die Schließung des Sichtfensters protestierten, hob der Bürgermeister beschwichtigend die Hand. »Meine lieben Trauergäste, bitte habt Verständnis, dass wir wegen der großen Hitze und dem schlechten Gesundheitszustand meiner Frau mit der Begräbniszeremonie fortfahren müssen.« Er gab Schreckenschlager ein Zeichen, der daraufhin den
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