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Bärenmädchen (German Edition)

Bärenmädchen (German Edition)

Titel: Bärenmädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Berlin
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zufällig daneben –, wimmerte er auf. Dascha aber versuchte, ihm die Wiederkehr zu versüßen. Sie lächelte ihn fortwährend an, versuchte, ihn so oft es ging zu berühren, und einmal, als sie sich unbeobachtet glaubte, sah Anne, dass sie ihm sogar einen zärtlichen Kuss schenkte, der Blau ebenso zu überraschen wie zu entzücken schien. Anne verzog verächtlich ihr Gesicht. Dascha hielt sich einen ihrer Aufseher gewogen. Sie benutzte ihn. Nicht mehr. Armer Blau.
    Es war einer ihrer letzten klaren Gedanken. Denn bald beherrschte sie die Furcht so sehr, dass sie kaum noch wahrnahm, was um sie herum vorging. Vielleicht mochten christliche Märtyrerinnen mit dem Gedanken der Buße die schlimmsten Qualen überstehen, sie selbst war damit eindeutig überfordert. Irgendwann war sie so panisch, dass sie kaum noch die Uhrzeit lesen konnte. Zwei- und dreimal musste sie auf das Ziffernblatt schauen, um zu begreifen, wie weit die Zeiger jedes Mal vorgerückt waren.
    Als es auf 16.00 Uhr zuging, befanden sich die Mädchen im Schlafraum und exerzierten dort im Aufenthaltsbereich des Saales unter Leitung der Krähe die Zofenkommandos. Als sie vom vorherigen Fitnesstraining hereingekommen waren, hatte Anne gesehen, dass an der Wand ein kleiner Rollwagen stand. Er war mit einen weißen Tuch abgedeckt und Anne hatte das Gefühl, dass, was immer sich darunter verbarg, ihr zugedacht war.
    Als es dann soweit war, schaute sie noch einmal zu Ines. Ihre Freundin warf ihr einen derart mitfühlenden Blick zu, dass es Anne fast die Tränen in die Augen trieb. Dann trat sie vor und bat mit einer Stimme, die ihr vollkommen fremd und zittrig wie bei einer alten Frau vorkam, um ihre Strafe.
    Nun mussten sich die anderen Mädchen in einer Reihe aufstellen, um wie üblich der peinvollen Zeremonie zu Abschreckungszwecken beizuwohnen. Anne stand neben der Krähe im „Steh“. Immer wieder huschten ihre Augen zum Rollwagen. Schwer war es, sich darauf zu konzentrieren, was die Zofenmeisterin verkündete. Sie sprach von Disziplin, von unerhörtem Benehmen und eine Schande für alle Betas. Anne horchte aber auf, als die Krähe erklärte, dass – da sie nun einmal sehr weichherzig sei – die Übeltäterin nur leicht bestraft werden sollte. Konnte das wirklich wahr sein? Sie sollte nur vom Nachmittag bis zum Abend Pralinen in der Bibliothek anbieten? Dascha sah darüber merklich enttäuscht aus, fand Anne. Aber schon die nächsten Sätze zauberten wieder ein Lächeln – mit Natternzunge! – in das Gesicht ihrer Rivalin.
    Natürlich müsse man gewisse Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, damit sich ein derart undiszipliniertes Mädchen wie Glöckchen nicht wieder vergesse. „Wir werden sie so herrichten, dass sie gar nicht erst auf die Idee kommt, sich wieder Pralinen in den gierigen Mund zu stopfen“, erklärte die Zofenmeisterin. Auf ihren Wink hin holte Blau jetzt den Rollwagen. Er zog das Tuch schwungvoll beiseite und Anne erkannte ein Tablett, mehrere Lederriemen und zwei paar Fesseln. An der Seite stand – in seiner Harmlosigkeit sah er geradezu rührend aus – ein Teller mit Schokoladenpralinen.
    Vorhang auf, die Vorstellung konnte beginnen, dachte sie mit dem letzten Rest an Galgenhumor, den sie noch aufbringen konnte. Die Krähe fesselte zunächst Annes Arme auf dem Rücken. Das zweite Paar Fesseln war anscheinend für ihre Fußknöchel gedacht. Eines der Engelsgesichter wollte diese Arbeit übernehmen, aber die Krähe schob ihn beiseite. Annes Bestrafung wollte sie anscheinend in allen Details höchstselbst vornehmen. Sie nahm ihm die Fessel aus der Hand. Anne sah mit Schrecken, wie kurz die Kette zwischen den beiden Ledermanschetten war.
    Dann ließ sich die Zofenmeisterin zu ihren Füßen nieder. Es war seltsam, sie dort knien zu sehen. Sie spürte ihre kleinen Finger, die ihr schnell und geübt die Riemen um die Gelenke schnallten.
    „Du hast schöne schlanke Fesseln. Wusstest du das? Unser kleines Arrangement bringt sie erst richtig zur Geltung“, erklärte die Krähe ihr gönnerhaft, als sie sich wieder aufrichtete. „Zeig mal, wie du gehen kannst?“
    Ein schmerzhafter Schlag mit der Peitsche durch eines der Engelsgesichter auf ihren Po trieb sie an. Erschrocken schrie sie auf und wankte los. Sie versuchte, in kleinen Schritten voranzukommen, aber sie waren immer noch viel zu groß und sofort geriet sie ins straucheln. Grob wurde sie von einem der Engelgesichter gepackt, der sie wieder aufrichtete.
    „Auf allzu große Schritte

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