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Bärenmädchen (German Edition)

Bärenmädchen (German Edition)

Titel: Bärenmädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Berlin
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solltest du momentan verzichten“, höhnte die Krähe und sie hörte, wie zwei oder drei der Mädchen, die zuschauten, kicherten. Da war Daschas kehliges Lachen und auch Beatrice glaubte sie herauszuhören. Aber dann zischte wieder die Peitsche durch die Luft und der brennende Schmerz, diesmal auf ihrer anderen Pobacke, trieb sie weiter. Jetzt stakste sie in Millimeterschritten voran. Die kurze Kette zwischen ihren Gelenken zwang sie zu so kleinen Bewegungen, dass sich sogar die Fußknöchel bei jedem ihrer Tritte kaum auseinander bewegten. Wie sollte sie so die Entfernungen in der Bibliothek bewältigen können? Allein schon der Weg dorthin würde endlos dauern.
    Aber endlich hatte sie wenigstens die gegenüberliegende Wand des Schlafsaales erreicht. Jetzt umdrehen. Das ging nur, wenn sie praktisch auf der Stelle trippelte und ihre Füße immer nur ein kleines Stückchen zur Seite bewegte. Erschrocken sah sie, wie Braun, das Engelsgesicht, das sie begleitete, drohend die Peitsche hob. Schneller. Sie musste es viel schneller tun. Wie kleine Tausendfüßler-Beinchen stampften ihre Beine jetzt auf der Stelle und sie wusste, dass es unsagbar lächerlich aussehen musste. Wieder glaubte sie, Daschas Lachen zu hören. Aber endlich stand ihr Körper in Richtung des Rückweges. Anne stakste los und je näher sie der Krähe und dem Rollwagen kam, desto furchteinflößender sahen die Gerätschaften aus, die dort noch für sie bereitlagen.
    „Nun braucht unser Pralinenmädchen natürlich ein Tablett“, erklärte die Krähe, als Anne wieder neben ihr stand. Es war klar, dass nun der zweite Akt der Vorstellung begann. Wie konnte das Stück heißen? Wie wär es mit „Die Leiden der jungen Ludwig“? Und Holly Rüschenberg spielte dabei die Rolle ihres Lebens. Sie selbst natürlich auch. Aber die Krähe schien sich mehr und mehr in die Sache hineinzusteigern. Anne fand es furchterregend, weil ihre Zofenmeisterin sonst in allem, was sie tat, überaus beherrscht war. Nun aber wirkte sie völlig unberechenbar.
    Mit einer theatralischen Geste angelte sie sich das Tablett vom Rollwagen. Es hatte einen recht hohen Rand und war halbmondförmig geschwungen. Schnell wusste Anne warum. Die halbrunde Seite wurde ihr oberhalb der Hüfte vor den Körper geschnallt. Zwei Lederriemen, die hinter ihre Rücken geschlossen wurden, hielten es fest. Jetzt hing das Tablett, schräg nach unten zeigend, vor ihrem Körper
    „Wir müssen natürlich noch die äußere Kante befestigen“, erklärte die Krähe, als würde sie in einer Art Heimwerkersendung auftreten. „Dazu nehmen wir diese beiden Riemen. Die unteren Schnallen befestigen wir an den beiden dafür vorgesehenen Öffnungen am Tablett. Oben am Riemen befinden sich, wie ihr seht, zwei kleine Klammern. Sie sind recht stark und besitzen geriffelte Backen. Mich erinnern sie immer ein wenig an das Maul eines Raubfisches.“
    Anne stöhnte auf, denn ihr war klar geworden, was jetzt kommen würde. Unwillkürlich nahm sie ihren Oberkörper ein Stück zurück.
    „Zitzen vor“, befahl die Krähe.
    Sie hasste den Ausdruck, tat aber voller Angst, was von ihr verlangt wurde. Von irgendwoher hatte ihre Zofenmeisterin jetzt eine Schere in der Hand und schnitt zwei Löcher in das Unterhemd ihrer Zöglingskleidung. Jetzt lagen ihre Brustwarzen frei und schon bissen die Klammern zu. Der Schmerz war unangenehm, aber dann explodierte er geradezu, als die Krähe im nächsten Augenblick den Teller mit den Pralinen auf das Tablett stellte.
    Das tat weh. Das tat so weh.
    „Bitte, bitte. Ich flehe sie an“, brachte sie hervor. Zum ersten Mal in ihrem Leben bat sie um Gnade.
    „Lauter“, herrschte sie die Krähe an.
    Da schrie es Anne hinaus und füllte den ganzen Raum mit ihrem verzweifelten Ruf um Milde.
    Hatte die Krähe nur auf diese Reaktion gewartet? Wollte sie ihren Zögling ganz und gar am Boden sehen? Jetzt glaubte Anne, tatsächlich so etwas wie Erbarmen in ihren Augen zu erkennen. Wortlos und rasch nahm die Zofenmeisterin noch einen weiteren Riemen, befestigte ihn am Tablett und legte ihn ihr um den Hals. Zu Annes grenzenloser Erleichterung trug dieser Riemen nun die meiste Last und reduzierte den Schmerz in ihren Brustwarzen auf ein halbwegs erträgliches Maß.
    „Ines, du wirst Glöckchen in die Bibliothek führen“, ordnete die Krähe jetzt knapp an und dann machten sich die beiden auf den Weg. In ihren lächerlichen Mäuseschritten, qualvoll gefesselt und absurd ausstaffiert trippelte Anne los.

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