Ballnacht in Colston Hall
Puderschicht bedeckt, und ihre weiße Perücke wurde von vergoldeten Federn gekrönt. Ein Samtumhang mit einer rubinbesetzten Schließe, eines von Mutters letzten Schmuckstücken, weiße Strümpfe und eine Halbmaske aus Brokatseide vervollständigten ihren Aufzug.
“Lydia sieht aus wie eine Prinzessin”, erklärte John, der den Aufbruch von Mutter und Schwestern beobachtete.
“Und wo ist dann mein Prinz?”, fragte Lydia lächelnd.
“Ach was, kümmere dich nicht um einen Prinzen”, mischte sich die Mutter ein. “Sir Arthur wird bestimmt sehr beeindruckt von dir sein. Und du siehst auch sehr hübsch aus, meine liebe Annabelle”, wandte sie sich an die jüngste Tochter. “Ich bin wirklich froh, dass ich die alten Kleider aufgehoben habe.”
“Du brauchst ja niemandem zu sagen, dass sie alt sind”, erwiderte Annabelle und betrachtete entzückt die vielen rosafarbenen Schleifen auf ihrem Rock und die weißen und aquamarinblauen Schleierrüschen auf ihrem Mieder. Kleine Rosenknospen aus Seide umrahmten den Ausschnitt, und an Stelle von Federn trug sie ebenfalls Rosenknospen im Haar. “Und auch nicht, dass wir sie selbst genäht haben”, fuhr sie fort. “Sie sind von dem besten Schneider Londons und ganz nach der letzten Mode.”
Die Mutter nickte. “Selbstverständlich! Nun lasst uns aber gehen.” Sie nahm ihren Fächer und ging zur Kutsche, gefolgt von ihren Töchtern, während John und Janet ihnen fröhlich nachwinkten.
Der Saal war bereits gefüllt, als die drei Damen Fostyn eintrafen. Eine lange Reihe von Kaleschen, mit denen die Angehörigen der guten Gesellschaft der Umgebung vorgefahren waren, stand entlang der Straße. Andere waren in Sänften gekommen, begleitet von Läufern mit Fackeln in den Händen. Licht fiel aus den hohen Fenstern des geschmückten Raumes, und durch die geöffnete Tür konnte man vernehmen, wie die Musikanten ihre Instrumente stimmten.
Als Mrs Fostyn mit ihren Töchtern den Festsaal betrat, empfing sie Stimmengewirr und gedämpftes Lachen. Im Schein der zahllosen Kerzen auf den kristallgeschmückten Kandelabern glänzten die Seidenstoffe und die Juwelen der Gäste, dass es schier die Augen blendete. “Die Leuchter sind aus Colston Hall”, flüsterte Annabelle der Schwester zu. “Ich habe gehört, dass der Earl of Blackwater sie für heute ausgeliehen hat.”
Der Earl of Blackwater. Zum ersten Male hörte Lydia heute diesen Namen, der dennoch nicht eine Sekunde lang aus ihrem Gedächtnis verschwunden war. Hier im Saal schien er indes auf aller Lippen zu sein. Wie großzügig er gewesen sei und wie hübsch er sei, hörte sie sagen. Immer noch nicht gebunden, nahm man an – eine Nachricht, die die Mütter geeigneter Töchter aufhorchen ließ.
“Wo mag er nur all die Jahre gewesen sein?” fragten viele. Lydia hätte ihnen Auskunft geben können, doch es war ihr unmöglich, sich in solche Gespräche zu mischen.
“Ich bin überzeugt, dass er teilnehmen wird”, sagte Lady Baverstock in dem Augenblick, da sich die drei Damen Fostyn ihr näherten. “Ah, Mrs Fostyn, kommt her”, rief sie huldvoll. “Gesellt Euch zu uns.” Sie nickte grüßend, und die Federn auf ihrem Kopf nickten mit. “Wie reizend du aussiehst, Annabelle.”
Annabelle errötete vor Glück und machte einen tiefen Knicks. “Guten Abend, Mylady.”
“Ich sagte gerade, dass ich überzeugt bin, Seine Lordschaft werde den Ball mit seiner Gegenwart beehren, obwohl Bertie …”, sie wies mit dem Fächer auf ihren wohlbeleibten Gatten, “… fürchtet, dass der Trauerfall ihn daran hindert. Was ist Eure Meinung?”
“Oh, ich habe gar keine Ahnung”, erwiderte Mrs Fostyn zurückhaltend, während Lydia sich nach einer Fluchtmöglichkeit umsah und Annabelle den Raum nach Peregrine absuchte, der bei einer Gruppe junger Männer stand und sofort herbeigeeilt kam, als er das junge Mädchen erblickt hatte.
“Nun, er hat wohl nicht sehr an seinen Eltern gehangen”, fuhr Lady Baverstock fort. “Der verstorbene Earl hat ihn ins Ausland geschickt, und er machte keinerlei Anstalten, wieder zurückzukommen.”
“Das wird wohl seine Gründe gehabt haben”, sagte Mrs Fostyn ruhig.
“Was das anbetrifft, so kann ich mir nicht vorstellen, dass es irgendwelche plausiblen Gründe für sein langes Wegbleiben geben könnte.”
Lydia konnte das Unbehagen ihrer Mutter über dieses Gespräch nachfühlen und hätte dieser gefühllosen Dame am liebsten die Meinung gesagt. Doch zum Glück nahm jetzt Lord
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