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Ballnacht in Colston Hall

Ballnacht in Colston Hall

Titel: Ballnacht in Colston Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Nichols
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im Gebüsch. Noch aber war ein Mann in dem Treibhaus, konnte jeden Augenblick heraustreten und Lydia entdecken. Angsterfüllt raffte sie ihre Röcke und hastete zurück zu der großen Freitreppe, von wo aus sie den anderen Unbekannten zu erkennen hoffte. Er wollte die Dünen durchkämmen, hatte er gesagt – also nach irgendetwas suchen. Finden würde er es jedoch nicht, denn das Päckchen lag wohlverwahrt daheim in ihrer Truhe.
    Mit einem Mal war ihre Furcht vergessen, und auch an ihr Dilemma mit Sir Arthur verschwendete sie nun keinen Gedanken mehr, denn eine neue Angelegenheit, eine unheimliche und beängstigende, nahm sie ganz gefangen. Wer waren die Männer in dem Gewächshaus? Wusste der Earl, dass auf seinem Grund und Boden gesetzwidrige Aktionen vorbereitet wurden? Sollte sie es jemandem sagen? Dem Earl?
    “Ach, da bist du ja, mein Kind. Ich habe dich überall gesucht.” Die vertraute Stimme der Mutter riss sie aus ihren Gedanken.
    “Ich komme schon, Mama. Ich brauchte nur ein wenig frische Luft.”
    “Die Gäste gehen jetzt alle in den Park, um sich das Feuerwerk anzusehen. Da bekommst du genug frische Luft.”
    In der Tat strömten durch die weit geöffneten Terrassentüren die Damen und Herren gut gelaunt ins Freie, und Lydia und ihre Mutter schlossen sich ihnen an, bis sie alle von einem Seil aufgehalten wurden, das der Earl zu ihrer Sicherheit von Baum zu Baum hatte ziehen lassen. Dahinter machten sich nun die Männer an die Arbeit, die der Earl eigens aus London hatte kommen lassen. Vergebens hatte Lydia nach dem zweiten Unbekannten Ausschau gehalten. Wahrscheinlich war es ihm gelungen, sich unter die Gäste zu mischen und so unbemerkt zu verschwinden.
    Mit einem lauten Knall fuhr die erste Rakete pfeifend in den nächtlichen Himmel, wo sie in Millionen tanzender Lichter in Rot, Grün und Gelb zerplatzte, die langsam zur Erde herabsanken und einen beißenden Brandgeruch verbreiteten. Dann folgten Sterne, die sich knatternd über den Himmel verteilten, gelbrote Bälle und Feuerräder. Zum Schluss zeichneten die Raketen eine Burg in die Luft, aus deren Kanonen auf einen Schlag Kaskaden von Irrlichtern schossen und Haus und Park mit einem geisterhaften Glanz überzogen.
    Als das Licht verloschen und der Park wieder in Dunkelheit gehüllt war, applaudierten die Zuschauer begeistert und sprachen dann dem warmen gewürzten Wein und dem Gebäck herzhaft zu, das von Lakaien gereicht wurde. Als die Tabletts geleert waren, zogen sich alle wieder ins Innere des Hauses zurück. Mäntel und Hüte wurden gesucht und gefunden, und Kutsche auf Kutsche rollte am Hauptportal vor.
    Ralph Latimer stand an der Tür und verabschiedete sich von jedem Einzelnen. Rasch gesellte sich auch Mrs Fostyn zu ihm, jedoch nicht bevor sie sich bei Lydia sorgenvoll erkundigt hatte, wo denn Annabelle geblieben sei.
    “Ich weiß nicht. Im Park hat sie noch neben mir gestanden, aber dann war sie plötzlich verschwunden”, antwortete Lydia und sah sich nach der Schwester um. In diesem Augenblick erschienen Lord und Lady Baverstock und in ihrer Mitte Peregrine mit hochrotem Kopf. Sie gingen an Lydia und ihrer Mutter vorüber, als seien sie beide Luft, reichten dem Hausherrn die Hand und stiegen eilig in ihren Wagen.
    Zwei Minuten später tauchte auch Annabelle auf, hielt sich aber auffällig im Hintergrund, während das unvermeidliche Zeremoniell des Abschiednehmens ablief, das Mrs Fostyn bis zuletzt mit durchhalten musste. Endlich war auch der letzte Gast gegangen und Ralph Latimer bedankte sich noch einmal von ganzem Herzen für den großartigen Erfolg des Abends, der allein auf den selbstlosen Einsatz seiner Gastgeberin zurückzuführen war. Dann bedachte er Annabelle mit ein paar Scherzworten und nickte Sir Arthur zu, der zufrieden, ja, beinahe triumphierend lächelte.
    “Wir erwarten Euch also in zwei Wochen zu unserer Hochzeitsfeier, Mylord”, sagte er selbstgefällig.
    “Keine zehn Pferde könnten mich davon abhalten”, versicherte der Hausherr liebenswürdig, nahm dann Lydias Hand und zog sie an seine Lippen. “Gute Nacht, Miss Fostyn.” Das war alles. Kein weiteres Wort.
    Wie von Sinnen hastete Lydia die Treppe hinunter und stieg, ohne auf Hilfe zu warten, in die Kutsche. Als die anderen gefolgt waren, hatte sie sich wieder so weit beruhigt, dass sie bei der Abfahrt einen Blick aus dem Rückfenster werfen konnte. Ralph Latimer stand im Türrahmen als dunkle Silhouette gegen die erleuchtete Halle und blickte dem

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