Baltrumer Bitter (German Edition)
brachen Emotionen durch.
»Sonja ist völlig durchgeknallt. Frank ebenso. Die haben sich
total gestritten.«
Er konnte Klara Ufkens Auftritt nicht einordnen. Und aus ihren
Beschreibungen ließ sich erst recht nicht herausfiltern, ob ihr Freund nun ihr
Freund, oder ihre Freundin …
»Warum haben Sie heute Morgen erzählt, Ihr Freund sei beim
Joggen, wenn er schon seit gestern verschwunden ist?« Röders Blick fiel auf
eine Bettdecke, die neben Klara Ufken zusammengeknuddelt auf dem Sofa lag. Wer
hatte hier wann geschlafen?
»Ich fand es total peinlich, zu sagen, dass er weg ist«, erklärte
sie. »Geht schließlich keinen was an, oder?«
»Haben Sie denn irgendeine Idee, wo er sich aufhalten könnte?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wären Sie dann hier? Sie kennen sich
hier aus. Ich hatte gehofft, von Ihnen einen Tipp zu bekommen.«
»Na, hören Sie mal«, wandte
Röder ein, »wenn ich wissen würde, wo sich alle Gäste dieser Insel im Moment
aufhielten, hätte ich viel zu tun.« Er dachte an das Portemonnaie, das ihn
morgens schon einmal zum Haus der Steenkens geführt hatte. Ohne Geld und
Kreditkarte würde der Aufenthalt für den Mann schwierig werden.
Sein Blick fiel auf eine Reisetasche. »Ist das seine? Darf ich
da reinsehen?«
Klara Ufken nickte.
Was für ein Durcheinander. Eine feuchte kurze Hose lag
zuoberst, darunter eine Unterhose und ein T-Shirt. Ein muffiger Geruch stieg
ihm in die Nase. Vorsichtig nahm er die Hose hoch. Die Ausdünstungen, die der
Shorts entstiegen, eine Mischung aus schwefeligem Schlickgestank, Schweiß und
etwas, was ihn plötzlich zu höchster Wachsamkeit veranlasste, ließen ihn einen
Moment die Luft anhalten. Der Kommissar schaute sich die Hose genau an.
Kräftige rotbraune Spritzer hoben sich deutlich vom Blau der Bermudas ab.
Auch das T-Shirt wies feuchte, dunkle Flecken auf. Blutflecken.
Eindeutig. Ihm wurde schlagartig klar, dass er seine Lasagne ziemlich sicher im
Ofen lassen musste.
»Ich halte diese Flecken hier für Blut. Können Sie mir dazu
etwas sagen?« Er wartete gespannt auf die Erklärung, die die Ufken gleich auf
den Tisch packen würde. Da war zum einen das Unwetter, in das der Visser
angeblich hineingeraten war. Oder dass er sich beim Rasieren geschnitten hatte.
Wurde gern genommen in solchen Fällen.
»Er hatte Nasenbluten«, sagte sie mit zittriger Stimme. Ihr
Gesicht war jetzt völlig von kleinen hektischen Flecken überzogen. Sie schaute
ihn nicht an, ihr Blick richtete sich starr auf das Gebinde von Trockenblumen,
das auf dem Couchtisch stand.
»Frau Ufken. Bitte. Wann hatte er Nasenbluten? Warum hat er die
Sachen nicht ausgewaschen, sondern feucht in seine Tasche gesteckt?«
»Ich weiß es nicht. Fragen Sie ihn, wenn Sie ihn gefunden
haben.«
Es reichte. Er glaubte der
Frau kein Wort. Morgens hatte es im Beisein von Frau Steenken geheißen: mein
Freund. Gerade war dann eine Freundin ins Spiel gekommen. Was wollten die Ufken
und der Visser also in Wirklichkeit auf der Insel? Darauf hatte sie ihm noch
keine zufriedenstellende Antwort gegeben. Fakt war: Der Mann war verschwunden.
Das hatte sie gerade bestätigt. Sie hatte Krach mit ihm gehabt. Auch das hatte
sie zugegeben. Und ihre Freundin befand sich vermutlich ebenfalls auf der
Insel. Wo, wusste die Ufken angeblich nicht, und sie schien sich deswegen keine
großen Gedanken zu machen.
Hatte diese Sonja Bartels etwas mit dem Verschwinden des Mannes
zu tun? Oder machten sich die beiden Streithammel gerade zusammen einen schönen
Tag? Wundern würde ihn nichts.
»Sie erlauben?« Er warf einen Blick ins Schlafzimmer. Dann
öffnete er die Badezimmertür. Sofort sah er die dunkelroten Spuren an den
Fliesen zwischen Waschbecken und Fußboden. In der Ecke lag ein Papierknäuel,
ebenfalls voller Blut. Hier muss ein Massaker stattgefunden haben, dachte er
entsetzt.
Langsam hatte Michael Röder das Gefühl, dass die Sache für ihn
allein zu heiß wurde.
»Sie kommen bitte mit auf die Wache, damit wir formell die
Vermisstenanzeige aufnehmen können, dann wenden Sie sich an Frau Steenken. Sie
wird einen Platz für Sie finden, wo Sie sich in den nächsten Stunden aufhalten
können.«
Klara Ufken sah ihn mit schreckgeweiteten Augen an, dann sagte
sie trotzig: »Was wird das hier? Das mache ich nicht mit. Ich will mich frei
bewegen, verstehen Sie? Spazieren gehen. Oder was auch immer. Zumindest nicht
hier in der Bude hocken. Was habe ich damit zu tun, wenn der Blödmann abhaut?
War es meine Idee, Sie
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