Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Kinsky
Vom Netzwerk:
war tot, wir sahen es schon bevor wir unsere alten Arbeitsplätze einnehmen und die alten Gebärden und Handreichungen wieder ausführen konnten. Die große schöne Anlage versank in Verwahrlosung. Herausgezerrte Maschinenteile verrosteten in rötlichen Wasserlachen. Fenster gähnten dunkel, wo das Glas herausgebrochen war. Der Wind pfiff durch die Hallen und trieb Laub, Schmutz, Reisig, Papierabfall über den Boden. Es war ein jammervoller Anblick. Wir brachten nichts zuwege, auch als die Werkzeuge notdürftig hergerichtet und Maschinen in Gang gebracht waren. Schließlich schickte man uns wieder nach Hause und verriegelte die Tore. Das müde Stampfen der Maschinen begleitete uns noch auf ein Stück des Wegs, der Luftzug, der zwischen den zerbrochenen Fenstern hin- und hergesaust war, fuhr uns noch über die Haut.
    Seither leben wir hier in der Erwartung einer Wendung zum Guten. Noch gibt es Hoffnung auf eine Rückkehr zu unserer alten Arbeit. Ich jedenfalls sage mir immer wieder: Man muss das Werk im Auge behalten. Damit verbringe ich meine Tage. Vielleicht gibt es noch andere, die aus anderen Richtungen das Werk im Auge behalten. Die ihre vergangenen Wege immer und immer wieder abschreiten, um die Erinnerung nicht versiegen zu lassen.
    Nach der Revolution griffen auch hier die Veränderungen um sich. Vielleicht waren es die sogenannten Zugänger, die sie mitbrachten. Wer kann das heute noch sagen. Eines Tages ertönte ein Hämmern, und kurz darauf stand der Holzschuppen dort. Dann kamen die Pferde, die gerne still am Straßenrand grasen. Jemand brachte ein Schwein. Ein schnurrbärtiger Mann sammelt den Schrott. Immer mehr Fahrzeugteile häufen sich an. Eines Tages wird man das Haus nicht mehr sehen. Drei Frauen halten Hühner.
    Auch die Tauben kamen irgendwann über Nacht und ließen sich hier nieder. Den ganzen Tag über steigen sie in die Luft, ziehen ihre Kreise, breiten sich über den Himmel wie eine Fahne, und kommen wieder auf den First zurück. Das Haus bebt von ihrem Gurren. Sie sehen friedlich aus, ihr Gefieder leuchtet weiß im Sonnenschein, doch es kommt vor, dass sie andere Vögel angreifen und zerreißen. Aus der Nähe betrachtet sind ihre Augen harte kleine dunkle Steine, die über den gierigen Schnäbeln glänzen. Aber die Tauben sind es, die jeder Vorbeireisende wahrnimmt, er sieht ihr Aufsteigen, ihr Kreisen, wie sie sich wiegen und wenden, dass sie im Aufsteigen dunkel und beim Herabstoßen leuchtend weiß aussehen, das bleibt jedem Vorüberreisenden haften. Früher gab es keine Vorüberreisenden. Hier war das Ende des Landes. Wir, die es tief aus dem Landesinnern, oder vom Meeresstrand hierher verschlagen hatte, sahen, dass hier das Land zu Ende war. Es gab keine Grenze, es gab nur ein Ende. Dies war der Rand. Man dachte nicht viel an das Land auf der anderen Seite des Randes. Es war dunkel wie ein Meer, aber trocken und weit, ein Kontinent ohne Namen, der durch Zufall an dieses Land stieß. Heute ist das anders. Heute sieht und hört man die Vorüberreisenden, die von drüben hierher und von hier aus nach drüben unterwegs sind. Und sie sehen den Block, die Tauben, den Schrott, sie sehen die Frauen in ihren weiten bunten Röcken, die draußen große Zuber reinigen, sie sehen den Mann, der die Pferde streichelt, das Kind, das an einsamen Morgen auf dem Vorhof des Blocks im Kreis herumläuft. Sie sehen einen Ausschnitt aus diesem Leben und machen sich den falschen Reim. Sie können ja nicht wissen, dass in diesem Haus das Leben die Zuber, die Pferde, den Schrott, die Tauben und den großen Haufen Holzklötze nur von ungefähr streift, in Wahrheit aber auf den Anblick und die Nähe des Werkes gerichtet ist. Das Werk selbst bleibt sicher den meisten Reisenden verborgen. Allenfalls gleitet es als bläulicher Schatten in ihr Sichtfeld, und dann wischen sie sich übers Auge, als störe sie etwas.

BATTONYA
    Der nächste Schnee, der fiel, war anders. Ein scharfer Wind ging, erst sah man keine Flocken, weil sie so dicht über den Boden geweht kamen, als führte der Wind sie von anderen Teilen der Ebene herbei, ein dünner Hauch, der von bereits vorhandenem Schnee abgetragen wurde. Dann schneite es wie in riesigen langen Atemzügen. Unter dem Heulen des Windes bedeckte sich erst dünn der Boden, dann setzte das Schneien aus. Alle Unebenheiten hatten eine dunkle unbeschneite und eine helle Schneeseite. Wo Wäsche hing, war sie steifgefroren, und die merkwürdigen Falten, die der Eiswind hineingeblasen

Weitere Kostenlose Bücher