Bann der Ewigkeit: Roman (German Edition)
zusätzlich zu allem anderen brauchte. Warum musste er so verflucht vernünftig klingen, wo doch das, was er sich wünschte, grundfalsch war?
»Loukas«, sagte er, »versteht, woher du kommst. Er kennt unsere Geschichte und will, dass Argolea wieder wie einst wird. Er wird dich auf die Weise ehren, die dir zukommt. Diese Verbindung mit Loukas ist gut für dich, gut für uns, das weißt du doch, nicht?«
Während ihr Vater wartete, begannen die Narben an ihrem Rücken zu kribbeln. Zumeist dachte Callia gar nicht mehr an sie, war der Schmerz doch mit der Erinnerung verblasst. Aber jetzt kehrte alles zurück, woher sie waren und wofür sie standen.
Opfer bringen. Darauf lief das Leben letztlich hinaus. Nicht Glück, nicht Erfüllung, nicht Liebe. Das Leben ging weiter, weil manche bereit waren, ihre Wünsche und Bedürfnisse zum Wohle der anderen zu opfern.
Ich bin keine Anführerin, Majestät.
Noch nicht, aber vielleicht eines Tages …
Bei dem Gedanken daran, was hinter ihr und was noch vor ihr lag, wummerte ihr Herz in der Brust. Nein, sie wollte sich nicht an Loukas binden, aber womöglich hatte der König recht. In dieser Ehe eröffnete sich ihr eventuell die Chance, etwas für die Frauen in ihrer Welt zu tun. Oder zumindest zu verhindern, dass Loukas sie so unterdrückte, wie er es vorhatte.
Sie blickte zu ihrem Vater auf und wusste, dass sie das Richtige tat, auch wenn es ihr das Herz brach. »Mir ist klar, was geschehen muss.«
Bei Simons Lächeln, das nicht minder siegesbewusst war als Loukas’, wurde ihr eiskalt. Er umfing ihre Oberarme und drückte sie sanft. »Sehr gut. Du wirst sehen, Callia, dass für dich ein völlig neues Leben beginnt. Sowie deine Reinigung abgeschlossen ist, gibt es keinen Grund, jemals wieder an die Vergangenheit zu denken.«
Der Singsang seiner Worte schien noch in der Luft zu hängen, als er sich bereits verabschiedet hatte. Sobald sie allein war, drehte Callia sich wieder zum Fenster. Die Berge waren nun ganz hinter den Wolken versteckt.
Etwas von großem Wert. Die Sage ging ihr durch den Kopf. Die Vergangenheit, die ihr Vater so gern vergessen wollte, war das einzig Wertvolle, das ihr geblieben war. Sie und die Erinnerung an eine Liebe, die sie einst gekannt, und das Kind, das sie nicht gehabt hatte. Sie konnte eine Menge opfern, sich selbst inbegriffen, aber niemals diese Erinnerungen. Und weder ihr Vater noch Loukas noch die Tatsache, dass Zander eine andere heiratete, könnte sie je dazu bringen.
»Heilige, beknackte Hera!«, hauchte Titus, als er mit Zander inmitten der vormaligen Siedlung hoch in den Bergen stand und sich das Ausmaß der Zerstörung ansah.
Ein Feldweg führte zu dem abgelegenen Dorf, und durch die Bäume waren keine Wagen oder sonstigen Fahrzeuge zu hören. Um sie herum lagen überall Tote; aber das waren nicht nur Misos. Es waren auch Menschen darunter, halb aufgefressen oder verstümmelt.
»Verdammt«, sagte Zander angesichts der verwesenden Körper und des blutgetränkten Bodens. Der Gestank des Todes war überwältigend. Dies hier war schlimmer als alles, was er in den letzten achthundert Jahren gesehen hatte.
Atalantas Zorn wuchs – und Unschuldige bezahlten ihn mit ihrem Leben. Als sie noch in der Unterwelt gefangen war, hatten ihre Dämonen Misos gejagt, um deren Seelen als Bezahlung für Atalantas Unsterblichkeit an Hades zu schicken. Aber dank Casey und Isadora war Atalanta nicht mehr unsterblich. Nun war sie entschlossen, so viel Leiden zu schaffen, wie sie irgend konnte, um sich an den Argonauten zu rächen. Und das nur, weil sie vor Jahrtausenden aus der Gruppe verbannt wurde.
Zander glaubte, dass es sich bei dem Körper unweit von ihm ehedem um eine menschliche Frau gehandelt hatte, von der allerdings nichts als zerfetztes Fleisch und halbausgerissene Organe übrig waren. Ihm wurde übel. Die Dämonen töteten auch, um zu fressen. Theron hatte sie gewarnt, dass sie aggressiver würden, ihre Jagd von den Misos auf die Menschen ausdehnten, weil sie keine Kraft mehr aus der Unterwelt schöpfen konnten.
Erst jetzt, beim Anblick der entsetzlichen Verwüstung, begriff Zander richtig, was er gemeint hatte. Dieser Krieg hatte sich verändert. Jahrhundertelang hatte er gedacht, er würde über die Erde streifen, um Menschen zu schützen. Nun tat er es wirklich.
Am anderen Ende des blutigen Schlachtfeldes erkannte er Theron im Gespräch mit einem Mann, der genauso groß war wie der Argonaut. Er schwenkte die Hände und wies zum Waldrand.
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