Bann der Ewigkeit: Roman (German Edition)
an dem nötigen Anstand, es mir zu erzählen. Stattdessen bist du bei Nacht und Nebel verschwunden.«
»Zander.« Sie holte tief Luft und bemühte sich, ruhig zu bleiben, denn zumindest einer von ihnen sollte es. »Ich bin nicht weggelaufen. Nachdem du fortgingst, gab es Komplikationen. Ich bekam Blutungen und glaubte, dass ich eine Fehlgeburt habe. Zu einem argoleanischen Heiler konnte ich nicht, denn dann hätten sie von uns erfahren.«
»Lügnerin.«
»Ich lüge nicht. Ich hatte Angst. Mein Vater fand mich, und er brachte mich ins menschliche Reich, damit mir geholfen wurde. Ich habe das Baby nicht abgetrieben, Zander. Ich habe versucht, es zu retten.«
»Lügnerin!«
»Du musst mir glauben.« Ihre Panik wuchs mit jedem Schritt, den sie auf ihn zu machte. Eine solche Bedrohung, wie sie nun in seinen Augen funkelte, hätte Callia bei keinem für möglich gehalten, vor allem nicht bei ihm. »Ich hätte unserem Kind nichts antun können. Ich habe unser Baby geliebt. Als er geboren wurde … Du hast keine Ahnung, was ich für ihn durchgemacht habe.«
»Lügnerin!«, schrie er wieder. »Ich habe genug von deinen Lügen.«
»Ich würde dich in dieser Sache nicht belügen.«
Er packte ihre Arme und drückte fest zu. »Das reicht.«
Ihr Leben lang war sie eine Heilerin. Schon als Kind hatte sie gemerkt, dass sie anders war. Viele Argoleaner besaßen Gaben, die ihnen selbst zugutekamen; von Callias profitierten andere. Aber als Zander sie packte und sie zwang, ihn mit aller Kraft von sich zu stemmen, konnte sie nur daran denken, dass sie sich gegen jemanden verteidigte, der sie offensichtlich mit jeder Faser seines Seins hasste.
Energie strömte in ihre Hände, die sie von einer unsichtbaren Kraft bezog, und ohne nachzudenken richtete Callia sie gegen die Gefahr vor ihr. Sie floss aus ihr heraus, und ihr Geist lenkte sie unbewusst.
Zanders Augen weiteten sich. Er äußerte kaum einen Laut, als er vor ihr zu Boden sank und ächzte, weil seine Lunge nicht mehr richtig zu arbeiten schien.
Ihre Hände vibrierten unter der rohen Kraft, die sie eben durchströmt hatte, und Callia stolperte zurück, entsetzt und angewidert von dem, was sie getan hatte. Überreste eines Zorns, wie Callia ihn noch nie empfunden hatte, wüteten in ihr, dass ihr übel und schwindlig wurde. Alles verschwamm vor ihren Augen, wurde dunkel, doch sie schüttelte den Kopf, um es abzuwehren. Zum ersten Mal hatte sie jemanden willentlich verletzt. Sie hatte gar nicht gewusst, dass sie dazu fähig war.
Ihr wurde seltsam, und sie bekam Atemnot. Sie wich zurück, bis sie gegen eine Felswand stieß.
»Callia!« Zander wollte sich zitternd aufstützen, konnte es aber nicht. Er sackte gleich wieder in sich zusammen.
Heilige Hera, was habe ich getan?
Blankes Entsetzen packte sie. Sie musste hier weg, raus, schnell. Hier kriegte sie keine Luft.
Panisch suchte sie nach ihrem Mantel, entdeckte ihn wenige Meter entfernt und holte ihn sich, zusammen mit den Stiefeln, die sie auf Geheiß von Titus angezogen hatte, ehe sie herkam.
»Callia«, keuchte Zander wieder. »Warte. Ich …«
Doch sie rannte bereits mit wehendem Mantel Richtung Höhlenausgang, denn sie brauchte dringend frische Luft.
Tränen stachen in ihren Augen, und sie erstickte fast an den Gefühlen, die sie so viele Jahre in sich vergraben hatte, aber sie lief weiter. Wegzukommen war das Einzige, woran sie denken konnte. Ihre Lunge brannte, ihre Beine schmerzten, was sie jedoch nicht aufhalten konnte.
Als es schließlich zu viel wurde, blieb sie stehen und rang nach Luft. Sobald sich ihr Herzschlag halbwegs normalisiert hatte, stellte sie fest, dass um sie herum alles still war. Sie war nach wie vor aufgeputscht, aber ihre Panik zum Glück weniger geworden. Langsam wurde sie sich ihrer Umgebung gewahr und schaute sich um.
Sie war in einem Wald. Wie weit es zur Höhle war, wusste sie nicht. Es war dunkel, allerdings drang hinreichend Mondlicht durch die Bäume, dass sie die überfrorenen Äste, den schneebedeckten Boden und das dichte Unterholz ausmachen konnte. Eisiger Wind schlug ihr ins Gesicht, und ein Schauer lief ihr über den Rücken, denn sie war verschwitzt vom Rennen, und nun kühlte der Schweiß auf ihrer Haut rapide ab. Sie zog den dicken Mantel fester zu und verfluchte sich für ihre Dummheit.
Irgendwo über ihr schrie eine Eule. Trocknes Laub und Zweige knackten rechts von ihr, und Callia drehte sich blitzschnell um. Ihr Herz begann erneut zu rasen, als ihr klarwurde, in
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