Bannstreiter
Bahnen verwandelte, kam Rabold wieder zu sich. Statt ein Wort zu sprechen, tastete er mit seinen Fingern durch das von roten Streifen entstellte Gesicht und strich sich immer wieder über den Hinterkopf.
Alle drei fuhren erschrocken zusammen, als irgendjemand von draußen an der Tür rüttelte. Gleichzeitig begannen mehrere Fensterläden zu klappern.
Die Herzlosen! Sie hatten sie gefunden!
Atemlos verfolgten alle vier die Schritte, die draußen erklangen. An eine Flucht durch den Hinterhof war nicht mehr zu denken, denn dort schepperte ein Eimer. Gleich darauf schabte etwas an der Hauswand entlang. Nicht nur an einer Stelle, nein, gleich an mehreren tippelten große Spinnenbeine die Fassade empor.
Im ersten Stock waren die Fenster ebenfalls fest verrammelt, doch den Spinnenreitern war es ein Leichtes, solche Sicherheitsmaßnahmen zu umgehen. Lautes Knirschen und Splittern drang in den Schankraum hinab.
»Die Dachschindeln!«, sagte Alvin. »Sie reißen sie einfach von außen ab, bis sie ein Loch haben, das groß genug ist, um auch die Spinnen hindurchzulassen.«
Er hatte kaum beschrieben, was oben vor sich ging, als auch schon lastende Stille eintrat. Wie gebannt starrten sie nach oben, von wo die Geräusche erklungen waren. Doch alle widersinnige Hoffnung, dass es von nun an ruhig bleiben würde, zerschlug sich nach wenigen Atemzügen. Das Schaben von ledernen Sohlen pflanzte sich vom Dachboden aus durch das ganze Gemäuer fort. Kratzende Spinnenbeine folgten. Es war eine halbe Armee, die sich dort oben sammelte, bevor sie ins Obergeschoss vordrang und dort jeden Raum durchsuchte.
Bree machte Anstalten, ihnen entgegenzueilen, doch Alvin winkte sie zurück. Es war besser, sich der Übermacht hier unten zu stellen, wo sie Rücken an Rücken kämpfen konnten.
Sobald das erste Knarren auf der Treppe hörbar wurde, zog er sein Schwert aus der Scheide. »Ich hab’s schon immer gewusst!«, stieß er dabei hervor.
»Was gewusst?« Bornus hielt seine Greifenklingen längst in Händen.
»Dass uns die Bekanntschaft zu diesem elenden Verfluchten noch einmal den Tod bringen wird.«
»Ach das!« Der Kahlköpfige zuckte schicksalsergeben mit den Schultern.
Dann machten sie sich alle vier bereit, dem Tod ins Auge zu blicken.
Hinter der Zyklopenmauer
Auf einen Platz mit nassem Gras geschleudert blieben Rorn und Venea zunächst einige Atemzüge lang liegen, bis sich der Wirbel in ihrem Kopf legte. Danach federte die Hexe empor und starrte den hinter ihnen aufragenden Steinbogen an. Um sie herum herrschte dunkle Nacht, doch die gleißenden Entladungen leuchteten eine kreisrunde Fläche rund um das Portal unangenehm grell aus. In der Ferne war Meeresrauschen zu hören, wie von gischtenden Wellen, die sich an hohen Felsen brachen. Eine Steilküste? Dann hatte es sie wohl nach Norden verschlagen. Oder an einen Ort, den noch kein Baroser je zuvor betreten hatte.
Die Schlangenaugen an Veneas Armen funkelten, während sie ihre Hände auf das Portal ausrichtete. Zischelnde Worte in einer unbekannten, an Tierlaute gemahnenden Sprache verließen ihre Kehle. Schweißperlen quollen auf ihrer Stirn auf, sichtbares Anzeichen einer großen Anstrengung. Sonst geschah zunächst nichts – bis die Korona zu flackern begann und schließlich ganz erlosch. Das von einem dunklen Summen begleitete Flirren unterhalb des Bogens verflüchtigte sich augenblicklich, trotzdem wagte Rorn nicht zu sprechen, solange die Hexe ihren Zauber webte.
Auch als die letzten Elmsfeuer längst erloschen waren, wirkte Venea weiter auf das Tor ein, bis sie endlich eine Hand keuchend sinken ließ und sich mit der anderen den Schweiß aus dem Gesicht wischte. »Ich hoffe, dass Siegel hält lange genug, um uns vor Silberhaupts Nachstellungen zu schützen«, sagte sie, sichtlich müde, aber doch in stillem Triumph leise vor sich hin lächelnd.
»Du hast das Tor verschlossen?«, fragte Rorn erstaunt. »Woher weißt du, wie man das macht?«
»Die Schattenmutter lehrte uns, die alte Zyklopenmagie zu beherrschen.« Venea war plötzlich so wacklig auf den Beinen, dass sie zu taumeln anfing. Rorn hakte sich sofort bei ihr unter, um sie zu stützen. Dankbar nickend nahm sie seine Hilfe zur Kenntnis, während sie fortfuhr: »Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Zauber wirklich einmal brauchen würde.«
»Diese Schattenmutter muss ja wirklich ein bemerkenswertes Zunftoberhaupt sein.« Rorn führte die erschöpfte Hexe zu einem kniehohen Stein, auf den sie sich
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