Barrayar
ihr schien, ihre Schwangerschaft müsste schneller vorankommen, um mit allem Schritt zu halten. Sie summte ein mentales Mantra in Richtung auf ihren Unterleib:
Wachse, wachse, wachse … Wenigstens begann sie jetzt schon tatsächlich schwanger auszusehen, anstatt sich nur erschöpft zu fühlen. Aral teilte ihre nächtliche Faszination über ihren Fortschritt, indem er sanft mit gespreizten Fingern nach zarten Bewegungen unter ihrer Haut fühlte – bis jetzt noch ohne Erfolg.
Jetzt erschien Aral mit Leutnant Koudelka. Sie hatten sich beide gründlich gebadet, rasiert, die Haare geschnitten und gekämmt, und jetzt funkelten sie in ihren formellen, rot-blauen kaiserlichen Paradeuniformen. Graf Piotr schloss sich ihnen an, er trug die Uniform, in der Cordelia ihn bei den Sitzungen der Vereinigten Räte gesehen hatte: braun und silbern, eine prächtigere Version der Livree seiner Garde. Piotrs zwanzig Gefolgsmänner hatten an diesem Abend alle eine Art offizieller Funktion und waren schon die ganze Woche über von ihrem hektischen Kommandanten zu peinlich genauen Vorbereitungen angetrieben worden. Droushnakovi, die Cordelia begleitete, trug ein einfacheres Kleid in Cordelias Farben, dessen sorgfältiger Schnitt rasche Bewegungen erleichterte und Waffen sowie Kom-Links verbarg.
Nachdem jeder jeden gebührend bewundert hatte, begaben sie sich durch die Vordertüren zu den wartenden Bodenwagen. Aral half Cordelia persönlich in ihr Fahrzeug, dann trat er zurück: »Ich treffe dich dann dort, Liebste.«
»Was?« Ihr Kopf fuhr herum. »Oh. Der zweite Wagen … ist dann nicht nur wegen der Größe der Gruppe dabei?«
Arals Mund verzog sich leicht: »Nein. Es scheint mir … klüger, dass wir von jetzt an in getrennten Fahrzeugen fahren.«
»Ja«, sagte sie schwach, »wirklich klüger.«
Er nickte und wendete sich dann ab. Zum Teufel mit diesem Land! Wieder wurde ein Stück aus ihrem Leben, aus ihrem Herzen genommen. Sie hatten nur noch so wenig Zeit miteinander, dass selbst ein kleiner Verlust schmerzte.
Graf Piotr sollte offensichtlich Aral vertreten, zumindest heute Abend, er rutschte auf den Sitz neben ihr. Droushnakovi setzte sich ihnen gegenüber, und das Verdeck wurde geschlossen. Der Wagen bog ruhig in die Straße ein. Cordelia blickte über ihre Schulter und versuchte nach Arals Wagen zu schauen, aber er folgte zu weit hinten, als dass sie ihn hätte sehen können. Sie richtete sich auf und seufzte.
Die Sonne sank gelb in eine graue Wolkenbank, Lichter erglühten in dem kühlen, dunstigen Herbstabend und gaben der Stadt eine düstere, melancholische Atmosphäre. Vielleicht war ein lärmendes Straßenfest – sie fuhren an einigen vorbei – keine so schlechte Idee. Die Feiernden erinnerten Cordelia an primitive Menschen von der Erde, die auf Töpfen trommelten und Schüsse abfeuerten, um den Drachen zu verjagen, der den sich verfinsternden Mond verschlingen wollte. Diese seltsame, herbstliche Traurigkeit konnte eine unvorsichtige Seele verzehren. Gregors Geburtstag kam zur rechten Zeit.
Piotrs knorrige Hände fingerten an einem braunen Seidensäckchen herum, auf das in Silber das Wappen der Vorkosigans gestickt war.
Cordelia betrachtete es interessiert. »Was ist das?«
Piotr lächelte leicht und gab es ihr. »Goldmünzen.«
Noch mehr Volkskunst, das Säckchen und sein Inhalt waren ein Vergnügen für den Tastsinn. Sie streichelte über die Seide, bewunderte die Stickerei und schüttelte ein paar der glänzenden Scheibchen heraus, auf ihre Hand. »Hübsch.« Cordelia erinnerte sich gelesen zu haben, dass vor dem Ende der Zeit der Isolation Gold auf Barrayar einen großen Wert besessen hatte. Gold war für ihr betanisches Denken etwa Metall, das manchmal für die elektronische Industrie nützlich ist, aber alte Völker hatten damit etwas Mystisches verbunden. »Bedeutet das irgend etwas?«
»Aber ja! Das ist das Geburtstagsgeschenk für den Kaiser.«
Cordelia stellte sich den fünfjährigen Gregor vor, wie er mit einem Säckchen voll Gold spielte. Was konnte der Junge denn damit anfangen, außer Türmchen zu bauen und vielleicht das Zählen zu üben? Sie hoffte, dass er schon aus dem Alter heraus war, wo Kinder alles in den Mund stecken, denn diese Scheibchen hatten genau die richtige Größe, dass ein Kind sie verschlucken oder daran ersticken konnte. »Ich bin sicher, er wird sich freuen«, sagte sie mit leisem Zweifel.
Piotr kicherte. »Du weißt, was damit los ist, nicht wahr?«
Cordelia seufzte:
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