Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen

Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen

Titel: Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
Autoren: Lucy Silag
Vom Netzwerk:
Verabredung.« Als er den Gang entlang in Richtung Toiletten geht, schaut er sich noch einmal um und grinst, als er mich dabei erwischt, wie ich ihm nachsehe. Ich verdrehe die Augen, muss aber ganz tief drinnen doch zugeben, dass er schon ein kleines bisschen süß ist.
    »Bis gleich«, sage ich und weiß, dass ich eigentlich schleunigst zurückgehen sollte, um mich mit Alex, Olivia und den anderen anzufreunden, ehe es zu spät ist.
    Alex erinnert mich ein bisschen an Annabel, zumindest in einigen Punkten. Beispielsweise hat es mich überrascht, dass Alex sich mit den buttrigen Teilchen vollgestopft hat, statt einen großen Bogen um fettiges Essen zu machen, wie man es bei Mädchen wie ihr eigentlich erwarten würde. Annabel hatte auch einen großen Appetit. Ich war da immer ganz anders. Ich hätte wahrscheinlich sogar völlig vergessen zu essen, wenn meine Mom mich nicht mit ihren selbst gebackenen Kuchen oder frischem Gemüse aus dem Garten dazu verführt hätte.
    Für mich und Dave war Annabel immer ein Buch mit sieben Siegeln, das uns fast das Herz gebrochen hat. Unmöglich, mit ihr zu leben und genauso unmöglich, ihr zu widerstehen. Sie schöpft bei allem, was sie macht, aus den Vollen. Ihr Steak war immer blutig. Als sie meiner Mom mal dabei geholfen hat, Plätzchen zu backen, hat sie sie mit Schokolade beträufelt und dann zum Frühstück gegessen. Sie und Dave haben immer zusammen auf der hinteren Veranda Gitarre gespielt und ihre Stimme hat den Garten erfüllt, bis ganz hinten zum Arbeitsschuppen meines Vaters. Sie hatte wirklich eine wunderschöne Gesangsstimme.
    Am Tag von Annabels Hochzeit haben wir ihr den ganzen Morgen lang mit dem alten Lockenstab meiner Mutter Locken gedreht und ihre langen dunklen Haare in einen Berg Ringellöckchen verwandelt, in die wir am Haaransatz frisch gepflückte Wildblumen geflochten haben. Ich habe ihre Wangen mit glänzendem rosa Puder bestäubt und ihr durchsichtig schimmernden Lipgloss auf die Lippen getupft. Ihr Gesicht, das sonst meinem so ähnelte, verwandelte sich von einem vertrauten zu einem fast engelsgleichen.
    »Ich kann nicht glauben, dass du mich verlässt«, sagte ich zu ihr, als sie fertig war.
    »Ich weiß.« Annabel grinste. »Aber du verlässt mich ja auch.«
    »Das ist nicht dasselbe. Ich komme in einem Jahr wieder aus Paris zurück. Hast du denn gar keine Angst?«, fragte ich sie. Sie würde jetzt eine richtige Erwachsene sein, verheiratet, mit einem eigenen Haus.
    »Nein, Penny Lane«, lachte sie. »Ich habe nie Angst.«
    Da war was dran; das hatte sie wirklich nie. Annabel war immer die Erste, die im Frühling in den Bach hinter unserem Haus sprang, sobald das Eis taute. Sie fuhr immer so schnell Auto, wie sie wollte, und zeigte jedem, der sie auf der Straße ausbremste, den Mittelfinger und ein breites Grinsen. Als sie mal in einen Nagel getreten ist, hat sie ihn einfach rausgezogen und ist dann weiter barfuß durch den Garten gelaufen.
    Sie muss wegen meiner Eltern weggerannt sein, aber warum ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt? Was ist zwischen unseren letzten schönen gemeinsamen Stunden und dem Augenblick passiert, als ich gehört habe, wie die Reifen quietschend auf unserer Kieszufahrt durchdrehten - dem einzigen Abschiedsgruß meiner Schwester? Als wir schließlich alle im kleinen Pavillion versammelt waren, den mein Dad extra für Dave und Annabel gebaut hatte, damit sie darunter getraut würden, war Annabel nirgends zu finden. Ihr Auto bog nie wieder in die Einfahrt ein. Sie tauchte nie auf ihrer eigenen Hochzeit auf.
    Das Einzige, was mir blieb, war eine alte Taschenbuchausgabe von Annabels Lieblingsroman Madame Bovary, die in unserem gemeinsamen Zimmer auf meinem Bett lag. Auf der Titelinnenseite stand etwas geschrieben:
    Bon voyage! Alles Liebe, Annabel.
    Annabel war immer so begeistert über mein Pariser Abenteuer gewesen. Und das sollte ich auch sein. Also gehe ich eilig ins Klassenzimmer zurück, fest entschlossen, das ganz allein durchzustehen.
    Ich muss Mme. Cuchon reinen Wein einschenken und tout de suite die Sache mit meiner Gastfamilie klären.
    Es ist Zeit, in Paris neu anzufangen. Und ein für alle Mal einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen.

4. ZACK
    Vielleicht jetzt, vielleicht auch nie
    »Du und ich, wir gehen erst mal was trinken und treffen uns dann mit den anderen beim Odeon«, schlägt Alex am Freitagnachmittag vor. Dabei wickelt sie sich eine schwarze Haarsträhne um den Finger. Wir stehen auf den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher